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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Grinsen, das mehr eine flüchtige Grimasse war und sofort wieder verschwand.
    »… aber ein Drache? Niemals. So nahe an menschlichen Behausungen hat es seit zehn mal zehn Jahren keinen mehr gegeben – schon gar nicht einen von der Größe eines Hauses. Das hat meine Neugier geweckt. Nicht weil Big Ross ein Steuerzahler ist – oder war –, obwohl ich das der zahnlosen Menge erzählt hätte, wäre jemand aus ihrer Mitte trig genug gewesen, danach zu fragen. Nein, es war Neugier um ihrer selbst willen, weil der Drang, Geheimnisse zu enträtseln, schon immer mein größtes Laster war. Es wird mich eines Tages das Leben kosten, da habe ich keinen Zweifel.
    Schon vergangene Nacht habe ich mein Lager am Eisenholzpfad aufgeschlagen – bevor ich meine Runde gemacht habe. Nur bin ich letzte Nacht ganz am Ende des Pfades gewesen. Auf den Tafeln an den letzten Abzweigen vor dem Fagonard-Sumpf stehen die Namen Ross und Kells. Dort habe ich mein Becken am letzten klaren Bach vor dem Sumpf gefüllt, und was habe ich im Wasser gesehen? Nun, eine Tafel mit der Aufschrift COSINGTON/MARCHLY . Ich habe meine Gunna zusammengepackt, mich auf Blackie gesetzt und bin hergeritten, nur um zu sehen, was es hier zu sehen gab. Mein Becken brauchte ich kein weiteres Mal zu befragen; ich konnte sehen, wohin dieser Pooky sich nicht gewagt hat und wo es im Bach keine Käfer gab. Diese Käfer sind gierige Fleischfresser, aber laut den alten Weibern rühren sie das Fleisch tugendhafter Menschen nicht an. Altweibergeschichten sind oft irrig, aber anscheinend nicht in diesem Fall. Das eisige Wasser hat ihn konserviert, und er scheint unverletzt zu sein, weil sein Mörder von hinten zugeschlagen hat. Ich habe den eingeschlagenen Schädel gesehen, als ich ihn umgedreht habe, ihn aber wieder wie jetzt hingelegt, um dir diesen Anblick zu ersparen.« Der Zöllner machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Und irgendwie auch damit er dich sehen kann, falls seine Seele noch den Leichnam umschwebt. In diesem Punkt sind die alten Weiber sich nicht so ganz einig. Geht’s wieder, oder möchtest du noch einen kleinen Schluck Nen?«
    »Mir fehlt nichts.« Was eine glatte Lüge war.
    »Ich war mir ziemlich sicher, wer der Übeltäter war – wie du auch, schätze ich –, aber etwa verbliebene Zweifel sind in Gitty’s Saloon, meinem ersten Halt in Tree, ausgeräumt worden. Wenn der Steuertermin naht, ist die hiesige Schenke immer zwei Dutzend Silberlinge wert, wenn nicht mehr. Dort habe ich gehört, dass Bern Kells sich mit der Witwe seines toten Partners verbunden hat.«
    »Durch Eure Schuld«, sagte Tim mit eintöniger Stimme, die er kaum als seine erkannte. »Wegen Euren verfluchten Steuern .«
    Der Zöllner legte eine Hand aufs Herz und sprach in einem Ton der Verwunderung. »Du tust mir unrecht! Es waren nicht Steuern, die Big Kells all diese Jahre im Bett haben brennen lassen, aye, auch als er noch seine Frau neben sich hatte, die ihm die Fackel halten konnte.«
    Er sprach weiter, aber das Zeug, das er Nen genannt hatte, verlor an Wirkung, und Tim verstand nicht mehr, was der Mann sagte. Ihm war plötzlich nicht mehr kalt, sondern heiß, glühheiß sogar, und in seinem Magen rumorte es. Er torkelte zu den Überresten des Lagerfeuers hinüber, fiel auf die Knie und übergab sich in das Loch, das der Zöllner mit dem Stiefelabsatz gegraben hatte.
    »Na, also!«, sagte der Mann in dem schwarzen Mantel, als gratulierte er sich aufrichtig selbst. »Hab mir doch gedacht, dass es nützlich sein würde.«

» Du wirst jetzt gehen  
    und deine Mutter sehen wollen«, sagte der Zöllner, als Tim fertig war und mit gesenktem Kopf und in die Augen hängendem Haar an dem fast heruntergebrannten Lagerfeuer saß. »Als guter Sohn, der du bist. Aber ich habe noch etwas, was du vielleicht wollen wirst. Dauert nur einen Augenblick. Für Nell Kells spielt eine Verzögerung in ihrem jetzigen Zustand keine Rolle.«
    »Nennt sie nicht so!«, fauchte Tim.
    »Wie denn sonst? Ist sie nicht mit ihm verheiratet? In Eile getraut, mit Weile bereut, sagen die alten Folken.« Der Zöllner ging wieder vor seiner aufgestapelten Gunna in die Hocke, sodass sein weiter Mantel ihn wie die Schwingen eines schrecklichen Vogels umwogte. »Sie sagen auch, was einmal umschlungen ist, kann nie mehr getrennt werden, und da sprechen sie wahr. Auf einigen Ebenen des Turms existiert zwar die amüsante Idee namens Scheidung, aber nicht in unserer reizenden kleinen Ecke von Mittwelt. Lass mal sehen …

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