Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
zuckende Ding im Rollstuhl, dann sah er weg, kalkweiß, abgesehen von der Platzwunde am Kiefer, die immer noch ein wenig tropfte. Diese Seite seines Gesichts sah allmählich wie ein Ballon aus:
»Ja«, sagte er. »Mein Gott, ja.«
»Diese Frau ist ein Monster.« Eddie fing an zu weinen.
Der Revolvermann wollte ihn trösten, brachte ein solches Sakrileg aber nicht über sich (er erinnerte sich zu genau an Jake) und lief statt dessen in die Dunkelheit davon, während das neue Fieber in ihm brannte und schmerzte.
6
Viel früher an diesem Abend, während Odetta noch schlief, sagte Eddie, er wüßte möglicherweise, was mit ihr los war. Möglicherweise. Der Revolvermann fragte, was er meinte.
»Sie könnte schizophren sein.«
Roland schüttelte nur den Kopf. Eddie erklärte ihm, was er über Schizophrenie wußte, Erinnerungen an Filme wie Die drei Gesichter der Eva und verschiedene Fernsehsendungen (größtenteils Seifenopern, die er und Henry oft angesehen hatten, wenn sie stoned waren). Roland hatte genickt. Ja. Die Krankheit, die Eddie schilderte, hörte sich passend an. Eine Frau mit zwei Gesichtern, eins hell und eins dunkel. Ein Gesicht, wie es ihm der Mann in Schwarz auf der fünften Tarotkarte gezeigt hatte.
»Und sie – diese Schizophrenen – wissen nicht, daß sie einander haben?«
»Nein«, sagte Eddie. »Aber…« Er verstummte und sah düster zu den Monsterhummern, die krochen und fragten, fragten und krochen.
»Aber was?«
»Ich bin kein Seelenklempner«, sagte Eddie, »daher weiß ich wirklich nicht…«
»Seelenklempner? Was ist denn ein Seelenklempner?«
Eddie klopfte sich an die Stirn. »Ein Kopf-Doktor. Ein Arzt für den Verstand. In Wirklichkeit nennt man sie Psychiater.«
Roland nickte. Seelenklempner gefiel ihm besser. Der Verstand dieser Frau war zu groß. Doppelt so groß wie er sein sollte.
»Aber ich glaube, Schizos wissen fast immer, daß etwas nicht mit ihnen stimmt«, sagte Eddie. »Weil es leere Stellen gibt. Vielleicht täusche ich mich, aber ich habe immer gedacht, sie wären zwei Menschen, die glauben, sie leiden unter teilweisem Gedächtnisschwund, weil sie leere Stellen im Gedächtnis haben, wenn die andere Persönlichkeit das Sagen hatte. Sie … sie sagt, sie erinnert sich an alles. Sie glaubt wirklich, daß sie sich an alles erinnert.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, sie glaubt gar nicht, daß dies alles geschieht.«
»Ja«, sagte Eddie. »Aber vergiß das vorerst. Ich wollte nur sagen, einerlei, was sie glaubt, woran sie sich erinnert reicht unmittelbar von ihrem Wohnzimmer, wo sie im Bademantel saß und die Spätnachrichten ansah, bis hierher, ohne Unterbrechung dazwischen. Sie hat keinen blassen Schimmer, daß zwischen dem Zeitpunkt und dem, als du sie in Macy’s erwischt hast, eine andere Persönlichkeit den Körper übernommen hatte. Verdammt, das könnte am nächsten Tag oder Wochen später gewesen sein. Ich weiß, es war noch Winter, denn die meisten Einkäufer in dem Geschäft hatten Mäntel an…«
Der Revolvermann nickte. Eddies Wahrnehmung wurde schärfer. Das war gut. Er hatte die Stiefel und Schals übersehen, die Handschuhe, die aus Manteltaschen geragt hatten, aber es war dennoch ein Anfang.
»…aber ansonsten kann man unmöglich sagen, wie lange Odetta diese andere Frau war, weil sie es nicht weiß. Ich glaube, sie ist in einer Situation, wie sie noch nie in einer gewesen ist, und ihre Methode, beide Persönlichkeiten zu beschützen, ist die Geschichte, sie hätte eine auf den Kopf bekommen.«
Roland nickte.
»Und dann die Ringe. Als sie die sah, war sie echt fertig. Sie hat versucht, es sich nicht anmerken zu lassen, aber man hat es trotzdem bemerkt.«
Roland fragte: »Wenn diese beiden Frauen nicht wissen, daß sie im selben Körper existieren, und wenn sie nicht einmal vermuten, etwas könnte nicht stimmen, wenn jede über ihre eigene Erinnerung verfügt, teilweise echt, teilweise erfunden, damit sie die Zeiten erklären, wenn die andere da ist, was sollen wir dann mit ihr machen? Wie sollen wir auch nur mit ihr zusammenleben?«
Eddie hatte die Achseln gezuckt. »Frag mich nicht. Das ist dein Problem. Du sagst doch, daß du sie brauchst. Verdammt, du hast deinen Hals riskiert, um sie hierher zu bringen.« Darüber dachte Eddie eine Zeitlang nach; er erinnerte sich, wie er mit Rolands Messer in der Hand über dem Körper des Revolvermanns kauerte, das Messer dicht über dem Hals des Revolvermanns, und er lachte unvermittelt
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