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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kinder behaupteten selbstverständlich, daß es dort spukte, und als Eddie eines Tages mit Henry davor auf dem Gehweg stand (sie hatten die Pilgerfahrt eigens auf sich genommen, um dieses legendäre Objekt zu sehen, obwohl Henry ihrer Mutter erzählt hatte, daß sie nur mit ein paar Freunden bei Dahlberg’s Hoodsie Rockets holen wollten), hatte es so ausgesehen, als könnte es wirklich dort spuken. Hatte er nicht eine starke und unfreundliche Macht gespürt, die aus den schattigen Fenstern des alten viktorianischen Giganten zu quellen schien – Fenstern, die ihn mit dem starren Blick eines gefährlichen Irren anzusehen schienen? Hatte er nicht einen schwachen Windhauch gespürt, der die Haare auf seinen Armen und im Nacken aufrichtete? Hatte er nicht die deutliche Intuition gehabt, wenn er dieses Haus betrat, würde die Tür hinter ihm ins Schloß fallen, die Wände würden auf ihn zurücken und knirschend die Knochen von toten Mäusen zermalmen, weil sie auch seine Knochen auf dieselbe Weise zermalmen wollten?
    Spuk. Spuken.
    Jetzt verspürte er dasselbe Gefühl von Geheimnis und Gefahr, während er sich diesem Metallkubus näherte. Gänsehaut breitete sich an seinen Beinen und Armen aus; sein Nackenhaar richtete sich auf und wurde zu störrischen Strähnen. Er spürte denselben schwachen Windhauch an sich vorüberwehen, auch wenn das Laub der Bäume rings um die Lichtung vollkommen still blieb.
    Und dennoch ging er auf diese Tür zu (denn darum handelte es sich natürlich, wieder eine Tür, doch würde diese für seinesgleichen immer verschlossen sein) und blieb erst stehen, als er das Ohr dagegendrücken konnte.
    Es war, als hätte er vor einer halben Stunde eine gute Dosis Acid eingeworfen, das jetzt allmählich voll zu wirken anfing. Seltsame Farben waberten über die Dunkelheit hinter seinen Augäpfeln. Er schien Stimmen zu hören, die aus langen, steinernen Schlünden gleichenden Korridoren murmelnd zu ihm sprachen – aus Korridoren, die mit flackernden elektrischen Fackeln erleuchtet wurden. Einst hatten diese Leuchtkörper des modernen Zeitalters ihren hellen Schein über alles erstrahlen lassen, aber jetzt waren sie nur noch trübe Flecken blauen Lichts. Er spürte Leere… Verlassenheit… Einsamkeit… Tod.
    Die Maschinen dröhnten unablässig, aber hatte das Geräusch nicht einen knirschenden Unterton? Eine Art verzweifeltes Pochen unter dem Summen wie die Rhythmusstörungen eines kranken Herzens? Ein Eindruck, als würden die Maschinen, die das Geräusch erzeugten – obschon weitaus komplizierter als die im Inneren des Bären –, langsam aus dem Gleichlauf kommen?
    »Alles ist still in den Hallen der Toten«, hörte sich Eddie mit leiser, brechender Stimme flüstern. »Alles ist vergessen in den Steinhallen der Toten. Sehet die Treppen, welche in der Dunkelheit stehen; sehet die Säle des Verfalls. Dies sind die Hallen der Toten, wo Spinnen ihre Netze bauen und große Maschinen eine nach der anderen verstummen.«
    Roland zog ihn grob zurück, und Eddie sah ihn benommen an.
    »Das reicht«, sagte Roland.
    »Was immer sie da drinnen stehen haben, läuft nicht mehr so gut, was?« hörte Eddie sich fragen. Seine zitternde Stimme schien von weit weg zu kommen. Er konnte immer noch die Kraft spüren, die aus diesem Kasten drang. Sie rief nach ihm.
    »Nein. Heutzutage läuft nichts mehr in meiner Welt so gut.«
    »Wenn ihr Jungs vorhabt, die Nacht über hier das Lager aufzuschlagen, müßt ihr auf meine Gesellschaft verzichten«, sagte Susannah. Ihr Gesicht war ein weißer Fleck im aschefarbenen Kielwasser der Dämmerung. »Ich gehe da rüber. Ich mag nicht, was ich in der Nähe dieses Dings empfinde.«
    »Wir lagern alle da drüben«, sagte Roland. »Gehen wir.«
    »Gute Idee«, sagte Eddie. Je weiter sie sich von dem Kubus entfernten, um so leiser wurde das Dröhnen der Maschinen. Eddie spürte, wie ihr Einfluß auf ihn schwächer wurde, auch wenn sie ihn immer noch riefen und einluden, die spärlich erleuchteten Korridore zu erforschen, die Freitreppen, die Säle des Verfalls, wo Spinnen ihre Netze bauten und die Kontrolleuchten eine nach der anderen dunkel wurden.
     
     

29
     
    In dieser Nacht schlenderte Eddie im Traum wieder die Second Avenue entlang in Richtung Tom und Gerry’s Künstlerisches Delikatessengeschäft an der Ecke Second und Forty-sixth. Er kam an einem Schallplattenladen vorbei, wo die Rolling Stones aus den Lautsprechern dröhnten:
     
    »I see a red door and I want to paint it

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