Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
black,
No colours anymore, I want them to turn black,
I see the girls walk by dressed in their summer clothes,
I have to turn my head until my darkness goes…«
Er ging weiter und kam an einem Geschäft vorbei, das Reflections of You hieß – Dein Spiegelbild – und zwischen der Forty-ninth und der Forty-eighth lag. Er sah sich selbst in einem der Spiegel im Schaufenster. Er fand, daß er besser aussah als seit Jahren – das Haar ein wenig zu lang, aber ansonsten gesund und durchtrainiert. Aber die Kleidung… nn-nnn. Mann. Durch und durch Bärenkacke. Blauer Blazer, weißes Hemd, dunkelrote Krawatte, graue Bundfaltenhose… in seinem ganzen Leben hatte er keine derartige Yuppie-aus-der-Hölle-Uniform besessen.
Jemand schüttelte ihn.
Eddie versuchte, sich tiefer in den Traum zu verkriechen. Er wollte jetzt nicht aufwachen. Erst wenn er das Deli erreicht hatte und mit dem Schlüssel zu dem Feld voller Rosen durchgegangen war. Er wollte alles wiedersehen – die endlose rote Decke, den gewölbten blauen Himmel, wo die weißen Wolkenschiffe segelten, und den Dunklen Turm. Er fürchtete sich vor der Dunkelheit, die in dieser geisterhaften Säule wohnte und nur darauf wartete, jeden zu verzehren, der ihr zu nahe kam, aber er wollte den Turm dennoch wiedersehen. Mußte ihn wiedersehen.
Aber die Hand hörte nicht auf, ihn zu schütteln. Der Traum wurde dunkler, und aus dem Geruch von Autoabgasen auf der Second Avenue wurde der Geruch von rauchendem Holz – dünn, weil das Feuer fast erloschen war.
Es war Susannah. Sie sah ängstlich aus. Eddie richtete sich auf und legte den Arm um sie. Sie hatten das Lager auf der anderen Seite des Erlenhains aufgeschlagen, in Hörweite des Bachs, der durch die Lichtung voll Knochenstaub floß. Auf der anderen Seite der glühenden Asche, die ihr Lagerfeuer gewesen war, lag Roland und schlief. Sein Schlaf war unruhig. Er hatte die dünne Decke zur Seite geworfen und die Knie fast bis zur Brust hochgezogen. Ohne Stiefel sahen seine Füße weiß und schmal und schutzlos aus. Der große Zeh des rechten Fußes fehlte, ein Opfer des Hummermonsters, das auch einen Teil seiner rechten Hand auf dem Gewissen hatte.
Er stöhnte immer wieder denselben nuschelnden Satz. Nach einigen Wiederholungen wurde Eddie klar, es war der Satz, den er auch gesprochen hatte, als er auf der Lichtung zusammengebrochen war, wo Susannah den Bären erschossen hatte: Dann geh – es gibt mehr Welten als diese. Er verstummte einen Moment, dann rief er den Namen des Jungen: »Jake! Wo bist du? Jake!«
Einsamkeit und Verzweiflung seiner Stimme erfüllten Eddie mit Grauen. Er schlang die Arme um Susannah und zog sie eng an sich. Er konnte ihr Zittern spüren, obwohl die Nacht warm war.
Der Revolvermann drehte sich um. Sternenlicht fiel auf seine offenen Augen.
»Jake, wo bist du?« schrie er in die Nacht hinaus. »Komm zurück!«
»O Gott – er ist wieder hinüber. Was sollen wir machen, Suze?«
»Ich weiß nicht. Ich wußte nur, ich konnte mir das nicht mehr alleine anhören. Er klingt so fern. So fernab von allem.«
»Dann geh«, murmelte der Revolvermann, der sich wieder auf die Seite drehte und die Knie anzog, »es gibt mehr Welten als diese.« Er schwieg einen Augenblick. Dann hob sich seine Brust, und er brüllte den Namen des Jungen als langgezogenen Schrei hinaus, bei dem einem das Blut in den Adern gefror. Im Wald hinter ihnen flog ein großer Vogel mit ledernem Flügelschlag zu einem nicht so aufregenden Teil der Welt.
»Hast du irgendwelche Vorschläge?« fragte Susannah. Ihre Augen waren weit aufgerissen und tränenfeucht. »Vielleicht sollten wir ihn aufwecken?«
»Ich weiß nicht.« Eddie sah den Revolver des Revolvermannes, den dieser an der linken Hüfte trug. Die Waffe lag im Halfter auf einem Stückchen Tierhaut und war von dort, wo Roland lag, mühelos zu erreichen. »Ich glaube, das wage ich nicht«, sagte er schließlich.
»Es treibt ihn in den Wahnsinn.«
Eddie nickte.
»Was sollen wir nur dagegen tun? Eddie, was sollen wir tun?«
Eddie wußte es nicht. Ein Antibiotikum hatte die Infektion bezwungen, die der Biß des Hummerwesens verursacht hatte; jetzt brannte wieder eine Infektion in Roland, aber Eddie glaubte nicht, daß es ein Antibiotikum auf der Welt gab, das heilen konnte, was diesmal nicht mit ihm stimmte.
»Ich weiß nicht. Leg dich zu mir, Suze.«
Eddie warf ein Fell über sie beide, und nach einer Weile hörte ihr Zittern auf.
»Wenn er den Verstand verliert,
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