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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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anderen Tag… der vielleicht nie kommt. Denkt nicht daran, sondern an folgendes: Ich habe viel tausend Meilen zurückgelegt. Denn die Welt wächst wirklich.«
    »So etwas ist einfach unmöglich«, beharrte Eddie, der aber dennoch ziemlich betroffen war. »Es müßte Erdbeben geben… Überschwemmungen… Flutwellen… ich weiß nicht, was noch alles…«
    »Sieh doch!« sagte Roland wütend. »Schau dich nur um! Was siehst du? Eine Welt, die immer langsamer läuft, wie ein Kinderspielzeug, während sie sich gleichzeitig in anderer Weise beschleunigt, die wir nicht einmal begreifen. Sieh dir an, was du getötet hast, Eddie! Sieh dir an, was du getötet hast, bei deinem Vater!«
    Er ging mit zwei Schritten zum Bach, hob die Stahlschlange auf, untersuchte sie kurz und warf sie Eddie zu, der sie mit der linken Hand fing. Dabei brach die Schlange in zwei Teile.
    »Siehst du? Sie ist verbraucht. Alle Kreaturen, die wir hier gefunden haben, waren verbraucht. Wenn wir nicht gekommen wären, wären sie über kurz oder lang gestorben. Wie auch der Bär gestorben wäre.«
    »Der Bär hatte eine Art Krankheit«, sagte Susannah.
    Der Revolvermann nickte. »Parasiten, die die organischen Teile seines Körpers angegriffen haben. Aber warum haben sie die nicht früher angegriffen?«
    Susannah antwortete nicht.
    Eddie untersuchte die Schlange. Im Gegensatz zu dem Bären schien sie eine durchweg künstliche Konstruktion zu sein, ein Ding aus Metall, Schaltkreisen und Metern (wenn nicht Meilen) haarfeiner Metallfäden. Und dennoch konnte er Rostflecken erkennen, nicht nur auf der Oberfläche der halben Schlange, die er noch in Händen hielt, sondern auch in deren Eingeweiden. Und es war eine nasse Stelle zu sehen, wo entweder Öl auslief oder Wasser eingedrungen war. Diese Feuchtigkeit hatte einige der Drähte angegriffen; eine grünliche Substanz, die wie Moos aussah, war auf einigen der daumennagelgroßen Schalttafeln gewachsen.
    Eddie drehte die Schlange um. Eine Stahlplakette wies sie als Produkt von North Central Positronics, Ltd. aus. Sie hatte eine Seriennummer, aber keinen Namen. Wahrscheinlich zu unwichtig für einen Namen, dachte er. Nur ein komplizierter mechanischer Roto-Rooter, der hergestellt wurde, um Meister Petz ab und zu einen Einlauf zu verpassen, damit sein Stuhlgang regelmäßig bleibt, oder etwas ähnlich Ekelhaftes.
    Er ließ die Schlange fallen und wischte sich die Hände an den Hosen ab.
    Roland hatte den Traktormechanismus aufgehoben. Er zerrte an einer der Ketten. Diese löste sich mit Leichtigkeit, Rost rieselte zwischen seine Stiefel. Er warf das Ding beiseite.
    »Alles in dieser Welt läuft entweder ab oder fällt auseinander«, sagte er tonlos. »Gleichzeitig werden die Kräfte schwächer, die zusammenwirken und der Welt ihren Zusammenhalt geben. Das wußten wir schon als Kinder, aber wir hatten keine Ahnung, wann die Zeit des Endes dasein würde. Wie konnten wir? Und doch lebe ich jetzt in dieser Zeit und glaube, daß sie nicht allein meine Welt betrifft. Sie betrifft auch eure, Eddie und Susannah; sie betrifft vielleicht eine Milliarde anderer Welten. Die Balken brechen. Ich weiß nicht, ob das eine Ursache oder eins von vielen Symptomen ist, aber ich weiß, daß es stimmt. Kommt! Rückt näher! Hört zu!«
    Als Eddie sich der Metallbox mit ihren diagonalen schwarzen und gelben Streifen näherte, überkam ihn eine deutliche und unangenehme Erinnerung – zum erstenmal seit Jahren mußte er an ein verfallenes viktorianisches Haus in Dutch Hill denken, etwa eine Meile von dem Viertel entfernt, wo er und Henry aufgewachsen waren. Dieses baufällige Wrack, das bei den Kindern der Nachbarschaft nur ›die Villa‹ genannt wurde, stand inmitten einer unkrautüberwucherten, ungepflegten Rasenfläche in der Rhinehold Street. Eddie glaubte, daß wahrscheinlich alle Kinder in dem Viertel Gruselgeschichten über die Villa gehört hatten. Sie stand geduckt unter den steilen Dächern und schien Passanten aus den tiefen Schatten der Erker böse Blicke zuzuwerfen. Die Fensterscheiben waren natürlich nicht mehr da – die Kinder hatten Steine durch die Fenster geworfen, ohne sich der Villa zu sehr zu nähern –, aber es war nicht mit Farbe besprüht worden und auch nicht zu einem Schießstand oder einem Liebesnest gemacht worden. Am seltsamsten aber war die Tatsache, daß es ungehindert existierte; niemand hatte es in Brand gesteckt, um die Versicherungssumme zu kassieren oder es einfach nur brennen zu sehen. Die

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