Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)
Barrow –
E twas später an diesem Morgen traf Dr. Parsons ein. Er überprüfte die Verbände und nickte anerkennend. „Ihre Frau hat sich sehr gut um Sie gekümmert“, befand er. „Die Wunden sind sauber, und auch die Prellungen verheilen zufriedenstellend. Ich schätze, dass Sie innerhalb der nächsten Tage wieder auf den Beinen sind.“
„Ich beabsichtige, nach London zu reisen“, erklärte Stephen dem Arzt. „Wenn möglich, schon in drei Tagen.“
„Mylord, von einem verfrühten Aufbruch rate ich ab. Es wäre gut, wenn Sie sich noch eine weitere Woche gedulden könnten, bevor Sie die Reise antreten.“
„Ich habe keinerlei Erinnerung an den Unfall“, gestand Stephen seufzend. „Und auch nicht an die Ereignisse der vergangenen drei Monate.“
„Gedächtnisverlust ist in einem solchen Fall durchaus nicht unüblich.“ Der Arzt machte sich daran, die Verbände zu wechseln. „Ich konnte das bei einer ganzen Reihe Patienten feststellen, besonders dann, wenn sie ein verstörendes Erlebnis hatten. Häufig versucht der menschliche Verstand zu verhindern, sich an Dinge zu erinnern, die er lieber vergessen würde.“
„Wann ist mein Erinnerungsvermögen wieder vollständig hergestellt?“, verlangte Stephen zu wissen.
„Offen gesagt – möglicherweise niemals“, erwiderte Parsons ernst. „In einem Fall wie dem Ihren ist eine Prognose schwierig. Ihre Kopfverletzung und die Prellungen sind frisch, aber ich bezweifle, dass sie mit dem Gedächtnisverlust in Zusammenhang stehen. Die Narbe der Stichverletzung auf Ihrer Brust deutet darauf hin, dass Sie vor einigen Monaten Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sein könnten – vielleicht ist es dieses Erlebnis, an das Sie sich nicht erinnern wollen. Allerdings kann ich Ihnen versichern, dass Ihre Schmerzen innerhalb weniger Tage der Vergangenheit angehören werden.“
Schmerzen waren das Letzte, worüber Stephen sich im Moment Gedanken machte. Einen Augenblick überlegte er, ob er den Arzt auf die seltsame Tätowierung in seinem Nacken ansprechen sollte, aber er entschloss sich dagegen. Soviel er wusste, hatte er sich zu unüberlegtem Handeln hinreißen lassen – und beispielsweise eine Frau geehelicht, die er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Als der Arzt gegangen war, kam Stephen das Gespräch in den Sinn, das er am Morgen mit Emily geführt hatte. Ihre Sorge um die Kinder in allen Ehren – aber stimmte es, dass er tatsächlich für das Wohlergehen der beiden zuständig war, wie sie behauptete? Er beschloss, mit dem Jungen zu sprechen. Wenn er von seiner Frau keine Antworten bekam, dann würde er sie eben von einer anderen Stelle erhalten. Er rief Farnsworth herbei und beauftragte ihn, den Knaben zu ihm zu bringen.
„Sehr wohl, Mylord.“ Der Butler verneigte sich und verließ den Raum, um die Anordnung auszuführen.
Die Minuten verstrichen, ohne dass Farnsworth zurückkam, und schließlich begann Stephen, rastlos im Raum auf und ab zu marschieren. Jemand musste dem Jungen Disziplin beibringen – man konnte nicht früh genug damit anfangen, gutes Benehmen zu erlernen. Nachdem fünf weitere Minuten vergangen waren, öffnete Stephen die Tür zum Flur. Bei dem Anblick, der sich ihm bot, runzelte er die Stirn.
„Jetzt komm schon.“ Farnsworth stand vorgebeugt und hielt dem Jungen ein Zuckerplätzchen hin wie einen Köder. Mit missmutigem Gesichtsausdruck musterte das Kind den Bediensteten, bevor es einen zögerlichen Schritt vorwärts machte. „Alles ist gut. Komm her, bitte, mach schon.“ Der Butler gurrte förmlich.
„Du liebe Güte, Farnsworth. Der Junge ist doch kein Hund. Hören Sie auf, ihn wie einen zu behandeln!“ Stephens Geduld war erschöpft.
„Mylord, er hört nicht.“ Der Butler richtete sich auf, und wie vorherzusehen, verschwand das Kind in eines der Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
„Lassen Sie mich das machen.“ Energisch folgte Stephen dem Knaben, doch als er die Tür erreicht hatte und versuchte, sie zu öffnen, musste er feststellen, dass sie verriegelt war. „Den Schlüssel bitte, wenn Sie so freundlich wären, Farnsworth.“
„Mylord, ich bitte vielmals um Verzeihung. Ich hole ihn augenblicklich.“ Der Diener machte sich auf den Weg, sichtlich froh, entkommen zu können.
Einen Moment lang blieb Stephen lauschend stehen und überlegte seinen nächsten Schachzug. Es würde ihm kein Erfolg beschieden sein, wenn er den Jungen wie ein Kind behandelte. Also klopfte er an die Tür.
„Geh
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