Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)
gut, Mrs Raines“, beruhigte er die aufgebrachte Frau. „War der Viscount schon da, als Sie das Tablett im Salon abstellten?“
„Nein, Mylord. Ich habe vorher serviert, damit Ihr Gast nicht auf die Erfrischungen warten musste.“
„Haben Sie den Tee eingeschenkt?“
„Natürlich nicht, Mylord. Er wäre ja kalt geworden.“
Stephen stockte der Atem. Der Tee hatte in den Tassen gedampft, als er in den Salon gekommen war. Ob Carstairs auch das Getränk vergiftet hatte? Nein, das konnte nicht sein. Der Viscount hatte eine ganze Tasse davon getrunken. Stephen entspannte sich. „Vielen Dank, Mrs Raines.“
Er verließ die Küche und musste an Emily denken, die sich mit ihrer Reise nach London so leichtsinnig in Gefahr gebracht hatte. Mehr als um sein eigenes Leben fürchtete er um ihres, und er würde nicht zulassen, dass ihr etwas zustieß.
Und wenn er sie auf einem Stuhl festbinden musste, er würde dafür sorgen, dass Lady Whitmore an dem morgigen Ball nicht teilnahm.
Als Stephen an diesem Nachmittag in die Kutsche stieg, war er fest entschlossen herauszufinden, was die Tätowierung in seinem Nacken bedeutete. Seinen Fahrer wies er an, ihn in das Viertel zu fahren, in dem chinesische Händler ihre Geschäfte abwickelten. Vorsichtshalber nahm er einen Revolver mit.
Er war so in Gedanken versunken, dass er beinahe die Gestalt in dem wallenden Gewand übersehen hätte, die den Bürgersteig entlangging. Stephen schüttelte den Kopf. Was machte Anant Paltu denn in London? Misstrauisch beobachtete er den Inder und erkannte, dass er nicht an einen Zufall glauben mochte. „Folgen Sie dem Mann“, wies er seinen Kutscher an.
Er war überzeugt, dass Anant in der Nacht, in der man Daniel getötet hatte, dabei gewesen war. Und je weiter sie in das Chinesenviertel mit seinen Gerüchen nach Räucherstäbchen und exotischen Gewürzen vordrangen, desto deutlicher erinnerte Stephen sich plötzlich wieder.
Es war kalt gewesen in jener Februarnacht. So kalt, dass er seine Atemwolken gesehen hatte, als er an der Themse angelangt war.
Die Männer, die mit Hollingford gestritten hatten, waren zu viert gewesen. Einer hatte Daniel zu sich gezerrt und ihm die Arme festgehalten. Stephen war losgerannt, um dem Baron zu Hilfe zu eilen, doch plötzlich hatte er eine Klinge aufblitzen sehen und nur noch entsetzt beobachten können, wie Hollingfords Körper in den Morast sank. Es war zu spät gewesen, um ihm noch zu helfen. Ein Geräusch hinter ihm hatte ihn herumwirbeln lassen, und dann war er selber niedergestochen worden. Stephen erinnerte sich an einen unerträglichen Schmerz, dann endete die Vision. Sein Atem ging heftig, und er spürte, dass seine Handflächen feucht geworden waren.
„Mylord?“
Er hielt sich an der Sitzkante fest und zwang sich, tief Luft zu holen. „Ja?“
„Mylord, ich fürchte, er ist verschwunden“, entschuldigte der Kutscher sich. „Er war auf dem Weg zu dem Geschäft dort drüben.“
Verdammt. Er hatte zwar ein Stück seiner Erinnerung wiedergefunden, Anant dafür jedoch aus den Augen verloren. „Warten Sie hier auf mich“, befahl er seinem Fahrer. Obwohl eigentlich alles dagegen sprach, den Inder zu verfolgen, ahnte Stephen, dass er dicht davor stand, die Antworten zu erhalten, die er so verzweifelt suchte. Er betastete den Revolver in seiner Tasche. „Wenn ich in zehn Minuten nicht wieder zurück bin, brauche ich Ihre Hilfe.“
Zwar wusste er nicht, wohin Anant gegangen war, aber er hatte vor, es herauszufinden.
Der schwere Duft nach Sandelholz schlug ihm entgegen, als er den Laden betrat. Auf einem Holztresen lagen Ballen farbenprächtigen Seidenstoffs und Beutel mit Teeblättern. Die Frau, die hinter der Theke stand, neigte respektvoll den Kopf, bevor sie flüsternd den älteren Chinesen neben sich ansprach, der anscheinend der Ladeninhaber war. „Guten Tag, Sir“, begrüßte ihn der Mann mit dem beeindruckend langen Bart und den mandelförmigen Augen höflich.
Stephen verschwendete keine Zeit darauf, den Gruß zu erwidern, sondern nahm stattdessen zehn Shilling aus seiner Börse. „Ich lege zwanzig Pfund dazu, wenn Sie meine Fragen wahrheitsgemäß beantworten.“
Der Ladenbesitzer verneigte sich tief. „Was kann ich für Sie tun, Sir?“
„Ich suche nach einem Mann mit dem Namen Anant Paltu.“
Der Chinese wechselte einen raschen Blick mit der Frau. „Ich kenne ihn“, erwiderte er. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
„Ich habe ihn vor ein paar Minuten draußen
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