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Der Ego-Tunnel

Der Ego-Tunnel

Titel: Der Ego-Tunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Metzinger
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Überzeugungen und Erwartungen bestätigen, während wir die Beobachtungen, bei denen das nicht der Fall ist, ausfiltern oder wegrationalisieren. Und es trifft auch nicht zu, dass wir den Tunnel niemals verlassen und nichts über die Außenwelt erfahren können: Erkenntnisgewinn und Wissen über die Außenwelt sind möglich, zum Beispiel durch die Kooperation und Kommunikation innerhalb großer Gruppen von Menschen – durch die Bildung wissenschaftlicher Gemeinschaften, die Theorien entwerfen und überprüfen, sich gegenseitig fortwährend kritisieren und ständig empirische Daten und neue Hypothesen austauschen. Schließlich wird der populäre Begriff eines »Realitätstunnels« einfach auf viel zu spielerische Art und Weise angewandt – er bleibt daher unterbestimmt und völlig vage.
    Im ersten Kapitel beschränke ich deshalb die weitere Diskussion auf das Phänomen des bewussten Erlebens und entwickle ein besseres und tieferes Verständnis der Tatsache, dass es ein ausschließlich internes Phänomen ist. Es geht dann wirklich nur noch um phänomenales Bewusstsein und um nichts sonst. Dabei gehe ich unter anderem auf die folgende Frage ein: Wie kann all dies im Gehirn stattfinden und gleichzeitig die absolut robuste und subjektiv unhintergehbare Erfahrung erzeugen, in einer Wirklichkeit zu leben, die als eine äußere Wirklichkeit erlebt wird? Wir müssen verstehen, wie das möglich ist, was der finnische Philosoph und Neurowissenschaftler Antti Revonsuo eine out-of-brain experience (»außergehirnliche Erfahrung«)genannt hat, die Erfahrung, die wir ständig machen – auch Sie, zum Beispiel gerade jetzt, während Sie dieses Buch lesen. Das deutliche und stabile Erleben, nicht in einem Tunnel zu sein, sondern tatsächlich direkt und unmittelbar in Verbindung mit der äußeren Wirklichkeit zu stehen, ist nämlich eines der bemerkenswertesten Charakteristika des menschlichen Bewusstseins. Sogar wenn Sie jetzt gerade eine außerkörperliche Erfahrung hätten, wäre ihr bewusstes Erleben durch dieses Merkmal gekennzeichnet.
    Sich streng auf die Erforschung des Bewusstseins als solchem zu beschränken bedeutet, dass man den »phänomenalen Gehalt« mentaler Repräsentationen untersucht, das heißt die Art, wie sich diese Repräsentationen von innen anfühlen, aus der Erste-Person-Perspektive, also wie es ist , sie (subjektiv, ganz privat, innerlich) zu haben. So ist beispielsweise der dominante phänomenale Gehalt beim Anblick einer roten Rose die Qualität der Röte selbst. Im bewussten Erleben des Riechens einer Mischung aus Ambra und Sandelholz ist dieser phänomenale Gehalt die pure, subjektive Qualität von »Ambrahaftigkeit« und »Sandelholzigkeit«, unaussprechlich und scheinbar einfach, ohne jede innere Struktur. Und wenn man eine Emotion erlebt – wenn man sich, sagen wir, besonders glücklich und entspannt fühlt –, dann ist der phänomenale Gehalt das Gefühl selbst und nicht das, worauf es sich bezieht.
    Alle empirischen Daten deuten mittlerweile darauf hin, dass der phänomenale Gehalt lokal determiniert wird, nicht einmal ansatzweise durch die Umwelt, sondern allein durch innere Eigenschaften des Gehirns. Außerdem sind die relevanten Eigenschaften immer dieselben, ganz gleich, ob Sie eine rote Rose betrachten, sich vorstellen oder davon träumen. Das subjektive Erleben von Sandelholz und Ambra erfordert kein Räucherstäbchen, man braucht dazu nicht einmal eine Nase – prinzipiell lässt es sich auch dadurch auslösen, dass man die richtige Kombination der den Riechzellen nachgeschalteten Glomeruli im Riechkolben stimuliert. Diese Glomeruli (es gibt etwa 2000 davon) nehmen Geruchssignale von olfaktorischen Rezeptorzellen unterschiedlicher Typen auf. Angenommen, die einheitliche Sinnesqualität des Geruchseindrucks von Sandelholz und Ambrawäre mit der Aktivierung von Riechzellen der Typen 18, 93, 143 und 211 in der Nase verbunden, dann würden wir erwarten, dasselbe bewusste Erleben – eine identische Geruchsqualität – zu erhalten, wenn wir die entsprechenden Riechzellen mit einer Elektrode reizen. Die Kernfrage lautet: Was ist die minimal hinreichende Menge von neuronalen Eigenschaften? Könnten wir selektiv genau das gleiche Phänomen auslösen, indem wir sogar noch weniger tun, vielleicht an einer anderen Stelle im Gehirn? Die meisten Neurowissenschaftler (und vermutlich auch die Mehrheit der Philosophen) würden dies bejahen: Wenn man das minimale neuronale Korrelat eines gegebenen

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