Der einaeugige Henker
…
***
Es gibt Situationen im Leben, da sind auch wir überfragt. Er ging, Suko und ich schauten uns an, aber keiner von uns tat etwas. Wir fühlten uns wie vereist, standen da und schüttelten irgendwann die Köpfe.
»War das ein Traum?«, fragte Suko.
»Bestimmt nicht.«
»Und jetzt ist er weg.« Suko lachte. »Der Henker ist gegangen, obwohl wir das hätten verhindern können. Das ist doch verrückt …«
Ein Lachen unterbrach ihn. Reni Long hatte es ausgestoßen.
»Ist er nicht wunderbar?«, flüsterte sie. »Der Himmel hat ihn mir geschickt. Ja, der Himmel …«
»Nein, das Fegefeuer«, sagte ich und schüttelte den Kopf. Es war schon seltsam. Mir kam es nicht in den Sinn, die Verfolgung aufzunehmen. Ich stand da und schaute ihm nach, wie er seinen Weg fand. Ein Mensch, ein Henker, den das Fegefeuer entlassen hatte.
Auch Suko dachte nicht daran, den Henker zu verfolgen, der längst das Wasser erreicht haben musste. Aber es war nicht zu hören, wie er mit seinen Beinen sich durch das Wasser pflügte. Wir sahen ihn auch nicht mehr. Er schien sich in eine andere Dimension begeben zu haben oder war ins Fegefeuer zurückgekehrt.
Auch Sören Pfeiffer schüttelte den Kopf. Sprechen konnte er nicht. Er war nur froh, am Leben zu sein, und zitterte heftig.
Was hatte der Henker noch gesagt?
Er war da, um sich auf die Suche nach irgendwelchen Hexen zu machen. Wir wussten, dass es sie gab, und wenn der Henker sie fand, dann könnte es zu einem gewaltigen Blutbad kommen. Als ich daran dachte, zog sich mein Magen zusammen.
Suko wandte sich an Reni Long. Er tippte ihr auf die Schulter, und sie drehte sich um.
»Bist du eine Hexe?«, fragte er.
»Nein.«
»Dann sei froh.«
Sie lachte nur und lief zu ihrem Bekannten, auf den sie flüsternd einredete.
Suko sagte: »Glaubst du alles, was er gesagt hat?«
»Ja, ich denke schon.«
»Auch das mit den Hexen?«
»Leider«, sagte ich, »wobei ich denke, dass sie sich nichts gefallen lassen werden.«
Suko nickte. »Ja, da gibt es einige sehr mächtige Personen. Ich denke da nur an Assunga.«
»Und an die, die bei ihr lebt, sofern alles noch so geblieben ist.«
»Du meinst Justine Cavallo?«
»Wen sonst?«
»Dann bin ich mal auf die Zukunft gespannt.«
Diesen Satz sagten wir beide wie aus einem Munde …
***
ENDE des ersten Teils
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