Der einsame Baum - Covenant 05
Anstrengungen, und Ceer, der noch immer blutete, waren anwesend; Linden vermochte sie untrüglich zu erkennen. Gegenüber, hinter Hohl, meinte sie das glatte Eisen einer Tür wahrzunehmen. Von Covenant dagegen ließ sich keine Spur feststellen, nichts. O mein Gott!
Ihr Stöhnen mußte vernehmlich gewesen sein. Einige ihrer Gefährten drehten sich ihr zu. »Linden Avery«, sagte die Erste gepreßt. »Auserwählte. Hast du Harm erlitten?« Die Schwärze begann zu strudeln und von Verzweiflung überschwemmt zu werden, drohte über Linden zusammenzuschlagen. Überall roch es nach Blut. Ausschließlich die harte, einer Anklage vergleichbare Faktizität der Eisenbänder bewirkte, daß Linden nicht auf den Fußboden niedersackte. Sie hatte die Gefährten in diese Lage gebracht. Covenants Name kam lautlos über ihre Lippen, und die Dunkelheit verschlang ihn. »Auserwählte« , beharrte die Erste.
Lindens Seele schrie nach einem Ende, irgendeinem Nichts oder irgendeiner Gewalt, die einen Schlußpunkt setzte. Zur Antwort erhielt sie nur Echos der Art und Weise, wie ihre Mutter um den Tod gefleht hatte, und verhöhnten sie; Eisen und Stein spotteten ihres Wunschs nach Flucht, nach Erlösung. Und sie mußte auf die Sorge ihrer Gefährten eingehen. »Er ist nicht hier«, vermochte sie irgendwie zu äußern. »Ich habe ihn verloren!«
Die Erste ließ einen verpreßten Seufzer vernehmen. Covenant fort. Die Suche in einer Sackgasse. Aber die Erste war hinlänglich das Bewältigen von Unannehmlichkeiten gewöhnt; ihr Tonfall gestand keine Niederlage ein. »Dennoch war's eine kluge List. Den Gaddhi und seinen Wesir wider einander auszuspielen war unsere einzige Hoffnung. Etwas anderes vermochten wir nicht zu beginnen.«
Linden fehlte es am Sinn für derlei schwachen Trost. »Kasreyn hat ihn.« Die eisige Kühle der Luft verstärkte ihre Bitterkeit. »Wir haben ihm in die Hände gearbeitet. Er hat alles, was er will.«
»In der Tat?« Die Erste sprach wie eine Frau, die angesichts jeden Unheils aufrecht bleiben konnte. Mit einer Heftigkeit, die nie abschwächte, riß Blankehans unablässig an seinen Ketten. »Warum leben wir dann noch?«
Weil er mit uns seinen Spaß haben will , wollte Linden erwidern. Aber im nächsten Augenblick ersah sie, daß die Bemerkung der Ersten wirklich ihre Bedeutung hatte. Vielleicht gedachte Kasreyn nur seine Grausamkeit an den Gefangenen auszutoben, aus Rache oder zum Vergnügen. Doch es war möglich , daß er sie noch zu irgend etwas brauchte. Einmal hatte er schon versucht, das Weißgold an sich zu bringen, ohne Erfolg zu haben. Möglicherweise hegte er nun die Absicht, die Gefährten irgendwie gegen Covenant zu benutzen. Sollte das der Fall sein, hatte sie womöglich noch eine Chance. Eine letzte Gelegenheit, um ihrem Dasein und ihren Vorsätzen einen Sinn zu verleihen.
Unversehens brannte Leidenschaft wie ein Fieber durch ihre ausgekühlte Haut. Die Finsternis erzeugte in ihren Ohren ein wie entferntes Brausen, und ihr Pulsschlag wummerte so überhastet, als sei er unbarmherzig angestachelt worden. Herrgott! Gib mir noch eine Chance!
Gleich darauf meldete sich die Erste nochmals zu Wort, und die Unruhe in ihrer Stimme weckte Lindens Aufmerksamkeit. »Auserwählte, du hast Augen, wie ich sie nicht besitze. Welches Schicksal hat Pechnase ereilt, meinen Gemahl? Ich vernehme an meiner Seite seinen Atem, aber er regt sich nicht.«
Linden spürte die unterdrückten Emotionen der Ersten wie ein Band zwischen ihnen. »Er ist besinnungslos.« Nun war Linden innerlich so klar wie reines Eis. »Er hat einen ziemlich kräftigen Hieb abgekriegt. Aber ich kann keine Anzeichen von Gehirnerschütterung oder Koma feststellen. Gebrochen hat er auch nichts. Er dürfte bald wieder zu Bewußtsein kommen.«
Die Wildheit von Blankehans' Anstrengungen übertönte die erste Erleichterung der Schwertkämpferin. Dann jedoch hob sie die Stimme. »Ich danke dir, Auserwählte«, sagte sie deutlich. Das Dunkel zwischen Linden und ihr konnte nicht verhindern, daß Linden das Salz ihrer lautlosen Tränen kostete.
Linden hielt an ihrer kalten, durchdringenden Klarheit fest und wartete darauf, von ihr Gebrauch machen zu können.
Einige Zeit später kam Pechnase zu sich. Er stöhnte und murmelte vor sich hin, während er langsam seine Bestürzung überwand. Die Erste beantwortete seine Fragen kurz und knapp, tat nichts, um das Weh in ihrer Stimme zu verhehlen. Nach einigen Augenblicken jedoch schenkte Linden den beiden
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