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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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vorwarnen, falls der Nicor tauchte. Sollte das Geschöpf plötzlich und schwungvoll in die Tiefe tauchen, mochte der Bug des Schiffs unter die Wasseroberfläche gekippt werden, bevor es gelang, die Trosse loszulassen. Möglicherweise würden Besatzungsmitglieder über Bord gehen, wenn die Riesen das Tau fahrenließen. Die Bojen jedoch konnten die Riesen früh genug warnen, so daß es gegebenenfalls möglich war, die Trosse rechtzeitig und ohne irgendeine Gefährdung zu lösen. Für ein Weilchen schwelgte Linden zu sehr in Verwunderung, um an irgend etwas anderes zu denken. Dann aber entsann sie sich erschrocken Covenants.
    Sofort und in äußerster Hast tastete sie mit ihren Sinnen hinüber zum Achterdeck. Zuerst war es ihr gar nicht möglich, sich durch den immensen Kraftaufwand der Riesen zu fühlen. Sie glichen geballter Anstrengung und blockierten Lindens Wahrnehmung. Aber dann schaffte sie es, die Dimensionalität der Dromond wieder zu meistern, und sie spürte, daß Covenant noch so auf dem Deck lag, wie sie ihn verlassen hatte – starr in seiner silbrigen Umhüllung zusammengekrampft, durch eigene Handlung unerreichbar und seinem Verhängnis ausgeliefert. Heftige Bestürzung beunruhigte Linden, als sie daran dachte, daß die von den Riesen ergriffene Maßnahme vielleicht schon keinen Sinn mehr besaß. Sie wehrte sich gegen diese Vorstellung, konnte jedoch ihre Furcht nicht unterdrücken. Einen solchen Fehlschlag hätten die Riesen nicht verdient.
    Im folgenden Moment wechselte der Nicor, indem er die See aufpeitschte, ruckhaft seine Richtung. Die Sternfahrers Schatz legte sich auf die Seite, als hätte sie unter Wasser einen Stoß gegen den Rumpf erhalten. Eilends riß die Riesin auf dem Achterkastell Herzensfreude herum. Die Dromond richtete sich auf.
    Nun wandte sich der Nicor in die Gegenrichtung. An ihrem Bug mitgezogen, schrägte sich die Sternfahrers Schatz zur anderen Seite. Wasser schwappte mit der Wucht eines Hammerschlags an die Reling und Linden entgegen. Das Naß zerspritzte knapp vor Lindens Gesicht und wogte zurück. »Laßt Leine ab!« brüllte Blankehans. Die Riesen gehorchten, und die Trosse rutschte mit Gequietsche um die Rollen, schrammte mit lautem Sirren über den Bug. Auf dem Achterkastell drehte die Riesin das Steuerrad; das Riesen-Schiff folgte dem Nicor erneut. »Mehr!« befahl Blankehans. »Halt!« Auf diesen letzteren Zuruf klemmten die Riesen die Trosse wieder fest, brachten sie mit einem Ratschen zum Halt. Linden merkte, daß sie das Atmen vergessen hatte. Ihr Brustkorb schmerzte dumpf. Noch bevor sie ihr Gleichgewicht wiedererlangte, sackte die Dromond zurück aufs Heck. Dann stieß ein Ruck Linden fast das Deck unter den Füßen weg. Der Nicor hatte für einen Moment verharrt, seine Kräfte gesammelt, war danach mit verdoppelter Wildheit weitergesaust. In dem Moment, als der Nicor das Schiff zu schleppen aufgehört hatte, waren sämtliche Riesen an den Rollen rückwärts getaumelt. Einige kamen zu Fall. Jetzt zerrte die Trosse, weil der Nicor wieder schwamm, an ihren Armen. Doch sie waren aus der Balance geraten, konnten die Trosse nicht festhalten. »Laßt Leine ab!« schnauzte Blankehans erregt. Die Matrosen versuchten zu gehorchen. Diesmal jedoch gelang es ihnen nicht, alle gleichzeitig die Trosse zu lockern. Einer kam der Aufforderung um einen Sekundenbruchteil zu spät nach. Die ganze Körperkraft des Nicor riß ihn nach vorn. Anscheinend hatte er eine Hand am Tau. Bevor er loslassen konnte, krachte er mit Kopf und Rumpf gegen die Bugreling. Der Anprall löste ihn von der Trosse. Er sackte rücklings nieder, blieb verkrümmt und reglos liegen.
    Rund um Linden erklangen Schreie und Rufe, ohne daß sie ihnen Beachtung geschenkt hätte, während Blankehans die Matrosen anwies, die Trosse erneut festzuklemmen. Lindens Aufmerksamkeit galt vollständig dem hingestreckten Riesen. Sein Schmerz schrie ihr nachgerade ins Gesicht. Sie sprang von Cails Seite, setzte über die Trosse hinweg, die bugwärts zischte, als wäre sie gegen alle Gefahr gefeit, hastete zu der gefällten Gestalt. All ihre Instinkte waren mit einem Schlag hellwach und klar geworden. Sie sah die gebrochenen Knochen des Riesen, als würden sie sich in Umrissen aus Licht abzeichnen, fühlte sein gerissenes Gewebe und die inneren Blutungen, als hätte ihr eigenes Fleisch diese Schäden erlitten. Er war schwer verletzt. Aber er lebte noch. Sein Herz schlug noch mühselig; mit feuchtem Gurgeln drang Luft aus seinen von

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