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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Geschichte war schwermütig; aber ihre Schwermut blieb ohne Folgen. »Doch die verschlungenen Sterne waren Wesen, die uns so wenig wie Götter glichen, und keine Schlange, kein Verhängnis vermochte von ihrer Macht zu zehren, ohne dafür einen Preis zu entrichten. Nachdem sie sich maßlos vollgefressen hatte, überkam Unlust und Trägheit die Schlange. Wiewohl sie keinen Schlaf finden konnte – denn das Zeitalter, an dessen Ende sie von neuem in Schlummer versinken durfte, war noch nicht vorüber –, empfand sie ein überaus starkes Verlangen nach Ruhe. Daher rollte sie sich zusammen und versank in Untätigkeit. Und während die Schlange ruhte, wirkten in ihrem Innern die Kräfte der Sterne. Auswüchse von Stein und Erde, Wasser und Luft drangen aus ihrer Haut, und diese Gewächse mehrten und vervielfachten sich immer mehr, bis die Erde, wie wir sie mit unseren Füßen betreten, Gestalt angenommen hatte. Und weiter wirkten der Sterne Kräfte fort, gestalteten die Oberfläche der Erde, schufen die Meere und das Land. Und dann entstand auf der Erde das Leben. Sie gebar all die Völker der Erde, die Tiere des Landes, die Geschöpfe der Tiefe, brachte alle Wälder und grünen Auen vom einen zum anderen Pol hervor. So entstand aus Vernichtung neue Schöpfung, ganz so wie der Tod neuem Leben weicht. Das ist der Grund, Auserwählte ...« – Pechnase sprach mit festerer Stimme weiter –, »warum wir leben und trachten, weshalb wir danach streben, den Sinn unseres Daseins zu erkennen. Und so ist es wohl eingerichtet, denn wiewohl wir kaum mehr als ein Zwinkern der Augen der Ewigkeit sind, vermögen wir, derweil wir leben, die Wege zu beschreiten, die uns gut dünken, zu schaffen, was uns schaffenswert deucht, und der Gemeinsamkeit zu pflegen, so wie's einst die Sterne taten, ehe der Schlange Heimsuchung sie ereilte. Aber diese Frist muß vorübergehen. Die Schlange schläft nicht. Sie ruht nur aus. Die Zeit wird kommen, da sie aufgeschreckt wird oder sich aus eigenem Ermessen erhebt. Dann wird sie diese Schale aus Stein und Wasser abschütteln und von neuem durch den Kosmos streifen, um ihren Hunger vollends zu stillen, bis dies Zeitalter endet und sie in Schlummer verfallen kann. Deshalb heißt sie die Schlange des Weltendes.« Damit verstummte Pechnase.
    Linden schaute ihn an, sah ihn zur Lagerverwalterin hinüberspähen, als sorge er sich um die Grenzen von Windsbrauts Kraft. Aber die Lagerverwalterin erlahmte nicht. Während ihr Helfer das Gleichgewicht des Boots bewahrte, schlug sie unentwegt auf dem Trommelfell weiter ihren Rhythmus, rief in die Tiefen der See um Antwort. Rings um die Trommel kräuselten sich Wellenringe und verliefen sich rasch auf der glatten Stille der Wasserfläche. Langsam heftete Pechnase seinen Blick wieder auf Linden; doch er schien sie nicht zu sehen. Seine Gedanken weilten noch bei der Geschichte. Allmählich jedoch besann er sich auf Lindens Gegenwart. Als sein Blick sie wieder erfaßte, lächelte er belustigt. »Auserwählte«, fügte er leichtmütig hinzu, als wolle er die Bedeutsamkeit seiner Äußerung mildern, »es wird erzählt, daß die Nicor Sprößlinge der Schlange sind.«
    Diese Eröffnung erneuerte Lindens Unruhe. Zum erstenmal erhielt sie eine Andeutung dessen, was die Riesen taten, wie sie das Schiff zu bewegen beabsichtigten. Vielleicht war diese Geschichte nur ein Mythos; aber sie erklärte den Zweck, zu dem die Besatzung der Dromond sich in eine solche Aktivität gestürzt hatte. Eine Ahnung von Gefahr lenkte Lindens Aufmerksamkeit in die Weite, richtete ihre Sinne wachsam auf die See. Sie konnte kaum glauben, was sie vermutete. Hatten die Riesen wirklich vor, Nicor zu fangen ...? Bevor sie dazu kam, Pechnase zu fragen, ob sie ihn richtig verstanden habe, drang durch den Stein der Sternfahrers Schatz eine Wahrnehmung entfernten Brausens wie von schneller Bewegung in ihre Füße. Im nächsten Augenblick erscholl von den Masten herab ein Schrei.
    »Nicor!«
    Linden fuhr herum. Sie blinzelte hinauf und sah einen Riesen nach Süden deuten. Dem ersten Ruf folgten weitere, bestätigten ihn, Linden suchte steuerbords den Horizont ab. Aber sie vermochte nichts zu erkennen. Sie hielt den Atem an, als könne sie dadurch ihre Sicht verbessern. Mehr mit den Füßen als den Ohren bemerkte sie, wie Windsbraut den Rhythmus des Trommelschlags änderte. Und auf diesen Wechsel erfolgte eine Antwort. Schwingungen dumpf dröhnender Schläge trafen den Kiel der Dromond. Etwas hatte

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