Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
Vom Netzwerk:
»Ja?« frage ich.
    Er will mir nicht in die Augen sehen. »Ich wollte mich nur bedanken, 'mano«, murmelt er. »Weil du gewartet hast.«
    Ich winke ab. »Geschenkt«, sage ich. Seine Dankbarkeit macht mich verlegen - er mag ein Dutzend Leute umgelegt haben, wie sein Ruf von ihm behauptet, aber in vielerlei Hinsicht ist er noch ein Kind. Wir gehen schweigend die paar Schritte zur Treppe nach unten. Dann sage ich im Konversationston: »Ranger stellt sich ja ziemlich an wegen dieser Gewehre. Als stünde dabei einiges für ihn auf dem Spiel.«
    Paco springt sofort darauf an. Er grinst wie ein Schakal. »Wär' ganz nett zu wissen, warum, was, 'mano?« sagt er leise. »Ist immer gut, wenn man 'n As im Ärmel hat.«
    Ich zucke die Achseln, aber innerlich lächle ich. Heller Bursche. Hat sofort geblickt, worum es geht. Er glaubt, ich legte es darauf an, Ranger auszutricksen, und suche nach einem Hebel. Soll er. Außerdem glaubt er, in meiner Schuld zu stehen, und überlegt sich vielleicht, daß er sich bei mir revanchieren kann, indem er herausfindet, was bei dem Sioux-Deal für Ranger rumgekommen wäre. Also ein Deal, bei dem beide Seiten gewinnen: Er befreit sich von einer Schuld mir gegenüber, und ich erfahre, was ich wissen will, ohne persönlich den Hals dafür zu riskieren. Ich wünschte, so liefe es immer.
    Ich sehe auf die Uhr und bin nicht überrascht, wie spät es bereits ist. Kurz nach 0400. Ich bin total erledigt und habe einen Geschmack im Mund, als sei etwas darin gestorben. Wonach ich mich im Moment am meisten sehne, ist ein Bett - sogar ein leeres -, aber vorher bleibt noch etwas zu erledigen, muß noch eine unausgesprochene Abmachung mit Paco besiegelt werden. Ich klopfe ihm auf die Schulter. »Zeit für 'n Bier.«
    »Kannst du laut sagen«, grinst er.

3
    Ich war bisher noch nie bei einem offiziellen Kriegsrat der Cutters, und Ranger ist total genervt, mich bei diesem zu sehen. Nominell bin ich einer seiner Leute, ein kleiner Lieutenant, dessen einzige Aufgabe darin bestehen sollte, den Verbindungsmann zwischen den Straßenmonstern in den Reihen der Cutters und ihm und den anderen oberen Chargen der Bande zu spielen. Doch in letzter Zeit habe ich ein wenig... Schwarzarbeit geleistet, so könnte man es vielleicht nennen, indem ich mit anderen Bonzen in der Hierarchie zusammengearbeitet und mich generell so unentbehrlich wie möglich gemacht habe. Dabei habe ich ganz langsam mit dem sozialen Anpassungsdrek begonnen, der mir immer schon leichtgefallen ist, auch vor meiner intensiven Ausbildung. Die eigentliche Idee besteht darin, immer dann, wenn man jemand Wichtigen trifft, dieser Person genau das zu vermitteln, was sie sehen oder hören will. Wenn der Knabe Leute mag, die zeigen, was sie draufhaben, kehre ich den Draufgänger und Macho raus. Wenn ihm Leute gefallen, die erst denken und dann handeln, überrasche ich ihn mit einem ausgeklügelten Plan, wie man bei gewissen Unternehmungen Konfrontationen mit Lone Star vermeiden kann. Etcetera etcetera drekcetera. Danach braucht man nur noch ein paar Handlangerarbeiten für sie zu erledigen, wenn sie darauf angewiesen sind - der Job darf nicht zu groß und nicht zu klein sein -, bis sie mir vertrauen und sich schließlich auf mich wie auf eine Art inoffiziellen Berater stützen. So habe ich mich zu einem von Rangers Lieutenants hochgearbeitet. Nachdem ich dort angelangt und meine Stellung zumindest halbwegs gesichert war, hatte ich alle Möglichkeiten, meinen Wirkungsbereich auszudehnen.
    So kommt es, daß ich hier im ›Besprechungsraum‹ der Cutters bin. Ranger würde vermutlich lieber sein linkes Ei hergeben, als mich hier zu sehen, aber der Kriegsboss hat nicht den Schneid, Vladimir und der Hirschschamanin Frühlingsblüte zu widersprechen -zwei Führungskräfte der Cutters, die meine Anwesenheit ausdrücklich erbeten haben.
    Der Besprechungsraum befindet sich im Keller des größten Unterschlupfs der Cutter - demjenigen auf der 164. Straße Süd direkt unter der Einflugschneise für die Transpazifik-Suborbitalflüge. Das Zimmer ist düster und muffig und hat keine Belüftung, um mit dem Rauch von Frühlingsblütes Super King-Size Ultra-Js mit Menthol fertigzuwerden - die sie in Ketten raucht, um ›die Geister zu spüren‹. Ganz bestimmt. So wie ich mich nur vom Einatmen ihres Qualms fühle, ist es ein Wunder, daß hier unten überhaupt noch jemand eine vernünftige Entscheidung treffen kann.
    Kernstück des Raumes ist ein Konferenztisch im Konzernstil

Weitere Kostenlose Bücher