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Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Stirner
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Familie Ehre.«
    Wallt hingegen in seinen Adern das egoistische Blut feurig genug, so zieht er es vor, an der Familie zum »Verbrecher« zu werden und ihren Gesetzen sich zu entziehen.
    Was von beiden liegt Mir näher am Herzen, das Familienwohl oder mein Wohl? In unzähligen Fällen werden beide friedlich miteinander gehen und der Nutzen, welcher der Familie zu Teil wird, zugleich der meinige sein und umgekehrt. Da läßt sich's schwer entscheiden, ob Ich eigennützig oder gemeinnützig denke, und Ich schmeichle Mir vielleicht wohlgefällig mit meiner Uneigennützigkeit. Aber es kommt der Tag, wo ein Entweder – Oder Mich zittern macht, wo Ich meinen Stammbaum zu entehren, Eltern, Geschwister, Verwandte vor den Kopf zu stoßen im Begriff stehe. Wie dann? Nun wird sich's zeigen, wie Ich im Grunde meines Herzens gesonnen bin; nun wird's offenbar werden, ob Mir die Pietät jemals höher gestanden als der Egoismus, nun wird der Eigennützige sich nicht länger hinter den Schein der Uneigennützigkeit verkriechen können. Ein Wunsch steigt in meiner Seele auf, und wachsend von Stunde zu Stunde wird er zur Leidenschaft. Wer denkt auch gleich daran, daß schon der leiseste Gedanke, welcher gegen den Familiengeist, die Pietät, auslaufen kann, ein Vergehen gegen denselben in sich trägt, ja wer ist sich denn im ersten Augenblick sogleich der Sache vollkommen bewußt! Julie in »Romeo und Julie« ergeht es so. Die unbändige Leidenschaft läßt sich endlich nicht mehr zähmen und untergräbt das Gebäude der Pietät. Freilich werdet Ihr sagen, die Familie werfe aus Eigensinn jene Eigenwilligen, welche ihrer Leidenschaft mehr Gehör schenken als der Pietät, aus ihrem Schoße; die guten Protestanten haben dieselbe Ausrede gegen die Katholiken mit vielem Erfolg gebraucht und selbst daran geglaubt. Allein es ist eben eine Ausflucht, um die Schuld von sich abzuwälzen, nichts weiter. Die Katholiken hielten auf den gemeinsamen Kirchenverband, und stießen jene Ketzer nur von sich, weil dieselben auf den Kirchenverband nicht so viel hielten, um ihre Überzeugungen ihm zu opfern; jene also hielten den Verband fest, weil der Verband, die katholische, d. h. gemeinsame und einige Kirche, ihnen heilig war; diese hingegen setzten den Verband hintan. Ebenso die Pietätslosen. Sie werden nicht ausgestoßen, sondern stoßen sich aus, indem sie ihre Leidenschaft, ihren Eigenwillen höher achten als den Familienverband.
    Nun glimmt aber zuweilen ein Wunsch in einem minder leidenschaftlichen und eigenwilligen Herzen, als das der Julie war. Die Nachgiebige bringt sich dem Familienfrieden zum Opfer. Man könnte sagen, auch hier walte der Eigennutz vor, denn der Entschluß komme aus dem Gefühl, daß die Nachgiebige sich mehr durch die Familieneinigkeit befriedigt fühle als durch die Erfüllung ihres Wunsches. Das möchte sein; aber wie, wenn ein sicheres Zeichen übrig bliebe, daß der Egoismus der Pietät geopfert worden? Wie, wenn der Wunsch, welcher gegen den Familienfrieden gerichtet war, auch nachdem er geopfert worden, wenigstens in der Erinnerung eines einem heiligen Bande gebrachten »Opfers« bliebe? Wie, wenn die Nachgiebige sich bewußt wäre, ihren Eigenwillen unbefriedigt gelassen und einer höhern Macht sich demütig unterworfen zu haben? Unterworfen und geopfert, weil der Aberglaube der Pietät seine Herrschaft an ihr geübt hat!
    Dort hat der Egoismus gesiegt, hier siegt die Pietät, und das egoistische Herz blutet; dort war der Egoismus stark, hier war er – schwach. Die Schwachen aber, das wissen Wir längst, das sind die – Uneigennützigen. Für sie, diese ihre schwachen Glieder, sorgt die Familie, weil sie der Familie angehören , Familienangehörige sind, nicht sich angehören und für sich sorgen. Diese Schwachheit lobt z. B. Hegel, wenn er der Wahl der Eltern die Heiratspartie der Kinder anheimgestellt wissen will.
    Als einer heiligen Gemeinschaft, welcher der Einzelne auch Gehorsam schuldig ist, kommt der Familie auch die richterliche Funktion zu, wie ein solches »Familiengericht« z. B. im Cabanis von Wilibald Alexis beschrieben wird. Da steckt der Vater im Namen des »Familienrates« den unfolgsamen Sohn unter die Soldaten und stößt ihn aus der Familie aus, um mittelst dieses Strafaktes die befleckte Familie wieder zu reinigen. – Die konsequenteste Ausbildung der Familien-Verantwortlichkeit enthält das chinesische Recht, nach welchem für die Schuld des Einzelnen die ganze Familie zu büßen hat.
    Heutigen

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