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Sechs Richtige (German Edition)

Sechs Richtige (German Edition)

Titel: Sechs Richtige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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    «Ich werde jetzt diesen Eierbecher nehmen, ihn in zwei Teile brechen und mir mit den scharfen Kanten tiefe Wunden zufügen, wenn ihr nicht sofort zugebt, dass das ein Witz ist.» Vanessa sah ihre Eltern mit hochrotem Kopf an. Der passte momentan sehr gut zu ihren Haaren. Vanessa liebte es, sich die Haare ständig neu zu färben, was ihren Vater mittlerweile zur Resignation, ihre Mutter zur Verzweiflung, ihre beiden Schwestern und den Bruder zum Kopfschütteln veranlasste.
    «Ich muss meine Farbe finden» war ihr ständiges Argument, und sie raste fast wöchentlich in die Drogerie. Und was ihren Hang zur Theatralik betraf, befand sie sich gerade in Höchstform. Das rote Gesicht, dazu die gelockten, eigentlich wunderschönen – wenn sie mal gerade nicht gefärbt waren – dunkelbraunen, glänzenden Haare, ein Hauch von Tränen in den großen dunklen Augen und bebende Lippen. Perfekt. Vanessa beherrschte mit ihren 15 Jahren die Kunst, auf Befehl loszuheulen, virtuos. Sie brauchte dazu weder Zwiebeln, noch musste sie an traurige Dinge denken. Das hätte auch nicht funktioniert, weil es bislang nicht sehr viele traurige Dinge in ihrem Leben gab, an die sie hätte denken können. Ihre ein Jahr jüngere Schwester Antonia konnte es genauso gut, setzte ihr Können aber nicht so häufig ein, obwohl das mit ihren blonden Locken und den grünen Augen wahrscheinlich noch besser funktioniert hätte.
    Die Eltern schwiegen und schüttelten den Kopf.
    Vanessa sah Antonia an. «Sag doch auch mal was.»
    Antonia köpfte ihr Ei und streute Salz darauf. «Ich wusste gar nicht, dass du schon fertig bist.» Dann schob sie sich ein Stück Ei in den Mund und schaute hoch. «Natürlich ist das ein Witz. Heute ist der erste April, schon vergessen? Sehr witzig, Papa, sehr witzig.»
    Hanno Prönkel stand auf. «Das ist kein Witz, sondern die Wahrheit. Ende Juli, zu Beginn der Sommerferien, soll es losgehen. Und wir müssen das gemeinsam entscheiden. Davon ganz abgesehen, habt ihr uns das alles eingebrockt. Dieses Los mit dieser neuartigen Gewinnform habt ihr uns geschenkt, schon vergessen? Wir haben es uns nicht ausgesucht. Und dass wir gewonnen haben – tja, das kann passieren bei solchen Dingen. Jetzt müssen wir überlegen, was wir tun sollen.»
    Er sah seine Frau an.
    «Jetzt macht euch mal locker», sagte Jan. «Man kann doch darüber reden, wie Papa es vorgeschlagen hat. Warum muss denn alles sofort schrecklich sein? Vielleicht ist es ja total super.»
    «Du bist also
nicht
dagegen?», fragten Vanessa und Antonia ihren älteren Bruder wütend.
    «Erst mal will ich Fakten haben.»
    «Fakten, Fakten», äffte Vanessa ihn nach. «Du redest ja schon wie ein Politiker. Außerdem will ich dich mal auf so einer Insel sehen. Du wirst vor Langeweile sterben, so hektisch und ungeduldig, wie du immer bist.»
    «Ja, sehr lustig», sagte Antonia zu ihrem Bruder. «Meine Güte. Wir werden dort versauern. Auf
Helgoland
, das ist doch …»
    «Genau. Deutschlands einzige Hochseeinsel», sagte Astrid.
    Jan, der sein Smartphone schon herausgeholt hatte, war bereits hektisch dabei, Helgoland zu googeln. Sein iPhone war sein ganzer Stolz, und er hatte der kompletten Familie strikt verboten, es auch nur anzuschauen, geschweige denn anzufassen. Er hatte an geschätzten hundert Wochenenden dafür gearbeitet und hatte exakt an seinem 17 . Geburtstag so viel Geld zusammengehabt, dass er losdüsen und es sich kaufen konnte. Jan war der Älteste der vier Geschwister, groß, breitschultrig, mit fast schwarzem Haar und braunen Augen. Er trieb viel Sport, war beliebt, und falls man wirklich was an ihm kritisieren wollte oder konnte, dann war es die Tatsache, dass er unglaublich ungeduldig war. Nichts konnte ihm schnell genug gehen. Dass er eben gerade gesagt hatte, dass die Schwestern doch mal locker sein sollten, kam daher, dass er das Ausmaß der Katastrophe noch nicht richtig kapiert hatte. Aber nun fuhr sein Zeigefinger über das Display. Dann schaute er mit weit aufgerissenen Augen seine Eltern an. «Hier steht, dass Helgoland
einen Quadratkilometer
groß ist. Da ist ja drum herum GAR nichts. Nur Wasser.» Plötzlich war er überhaupt nicht mehr gelassen. Er sah aus wie ein Strafgefangener, der gerade erfahren hatte, dass sein Wohnsitz für die nächsten fünfzig Jahre ein muffiges Verlies mit Eisenringen an den Wänden und netten Ratten war.
    «Das ist bei Inseln oft so», sagte Hanno und füllte sich Kaffee nach. Er hätte gern ein paar Schnäpse

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