Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
das hat eben in der Konkurrenz seine Verwirklichung und praktische Ausführung gefunden; denn die égalité ist die – freie Konkurrenz. Alle sind vor dem Staate – simple Individuen, in der Gesellschaft oder im Verhältnis zueinander – Konkurrenten.
Ich brauche nichts weiter als ein simples Individuum zu sein, um mit jedem Andern, außer dem Fürsten und seiner Familie, konkurrieren zu können, eine Freiheit, welche früher dadurch unmöglich war, daß man nur mittelst seiner Korporation und innerhalb derselben einer Freiheit des Strebens genoß.
In der Zunft und Feudalität verhält sich der Staat intolerant und wählerisch, indem er privilegiert ; in der Konkurrenz und dem Liberalismus verhält er sich tolerant und gewähren lassend, indem er nur patentiert (dem Bewerber verbrieft, daß ihm das Gewerbe offen patent stehe) oder »konzessioniert«. Da nun so der Staat alles den Bewerbern überlassen hat, muß er in Konflikt mit Allen kommen, weil ja alle und jeder zur Bewerbung berechtigt sind. Er wird »bestürmt« werden und in diesem Sturme zu Grunde gehen.
Ist die »freie Konkurrenz« denn wirklich »frei«, ja ist sie wirklich eine »Konkurrenz«, nämlich der Personen , wofür sie sich ausgibt, weil sie auf diesen Titel ihr Recht gründet? Sie ging ja daraus hervor, daß die Personen gegen alle persönliche Herrschaft frei wurden. Ist eine Konkurrenz »frei«, welche der Staat, dieser Herrscher im bürgerlichen Prinzip, in tausend Schranken einengt? Da macht ein reicher Fabrikant glänzende Geschäfte, und Ich möchte mit ihm konkurrieren. »Immerhin, sagt der Staat, ich habe gegen deine Person als Konkurrenten nichts einzuwenden.« Ja, erwidere Ich, dazu brauche Ich aber einen Raum zu Gebäuden, brauche Geld! »Das ist schlimm, aber wenn Du kein Geld hast, kannst Du nicht konkurrieren. Nehmen darfst Du Keinem etwas, denn ich schütze und privilegiere das Eigentum.« Die freie Konkurrenz ist nicht »frei«, weil Mir die Sache zur Konkurrenz fehlt. Gegen meine Person läßt sich nichts einwenden, aber weil Ich die Sache nicht habe, so muß auch meine Person zurücktreten. Und wer hat die nötige Sache? Etwa jener Fabrikant? Dem könnte Ich sie ja abnehmen! Nein, der Staat hat sie als Eigentum, der Fabrikant nur als Lehen, als Besitztum.
Weil es aber mit dem Fabrikanten nicht geht, so will Ich mit jenem Professor der Rechte konkurrieren; der Mann ist ein Gimpel, und Ich, der Ich hundertmal mehr weiß, als er, werde sein Auditorium leer machen. »Hast Du studiert und promoviert, Freund?« Nein, aber was tut das? Ich verstehe, was zu dem Lehrfache nötig ist, reichlich. »Tut mir leid, aber die Konkurrenz ist hier nicht „frei«. Gegen deine Person ist nichts zu sagen, aber die Sache fehlt, das Doktordiplom. Und dies Diplom verlange ich, der Staat. Bitte mich erst schönstens darum, dann wollen wir zusehen, was zu tun ist."
Dies also ist die »Freiheit« der Konkurrenz. Der Staat, mein Herr , befähigt Mich erst zum Konkurrieren.
Konkurrieren aber wirklich die Personen ? Nein, wiederum nur die Sachen ! Die Gelder in erster Reihe usw.
In dem Wettstreit wird immer Einer hinter dem Andern zurückbleiben (z. B. ein Dichterling hinter einem Dichter). Allein es macht einen Unterschied, ob die fehlenden Mittel des unglücklichen Konkurrierenden persönliche oder sächliche sind, und ebenso, ob die sächlichen Mittel durch persönliche Kraft gewonnen werden können oder nur durch Gnade zu erhalten sind, nur als Geschenk, und zwar, indem z. B. der Ärmere dem Reichen seinen Reichtum lassen, d. h. schenken muß. Muß Ich aber überhaupt auf die Genehmigung des Staates warten, um die Mittel zu erhalten oder zu gebrauchen (z. B. bei der Promotion), so habe Ich die Mittel durch die Gnade des Staates.
Freie Konkurrenz hat also nur folgenden Sinn: Alle gelten dem Staate als seine gleichen Kinder, und jeder kann laufen und rennen, um sich die Güter und Gnadenspenden des Staates zu verdienen . Darum jagen auch alle nach der Habe, dem Haben, dem Besitz (sei es von Geld oder Ämtern, Ehrentiteln usw.), nach der Sache.
Nach dem Sinne des Bürgertums ist Jeder Inhaber oder »Eigentümer«. Woher kommt es nun, daß doch die Meisten soviel wie nichts haben? Es kommt daher, weil die Meisten sich schon darüber freuen, nur überhaupt Inhaber, sei's auch von einigen Lappen, zu sein, wie Kinder sich ihrer ersten Höschen oder gar des ersten geschenkten Pfennigs freuen. Genauer indes ist die Sache folgendermaßen zu fassen.
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