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Verheißenes Land

Verheißenes Land

Titel: Verheißenes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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Erstes Kapitel
    »Oh nein! Das hat uns gerade noch gefehlt!«, stöhnte Éanna und ließ enttäuscht ihren Kleidersack auf die dicken Bohlen der Bootsanlegestelle fallen.
    Müde und erschöpft stand sie im Hafen von St. Louis und beobachtete das geschäftige Treiben. Trotz des dicken Wollmantels und des Schals, den sie sich doppelt um den Hals gewickelt hatte, fröstelte sie. Es war später Nachmittag und ein nasskalter Aprilwind fegte über den Mississippi. Er setzte den Wellen kleine weiße Schaumkappen auf und verwirbelte den Dreck auf den Piers mit den rußigen Rauchwolken der Raddampfer, Fährboote und Barkassen. Der Wind schnitt scharf in Éannas sommersprossiges Gesicht und zerzauste ihr blond gelocktes Haar. Gewöhnlich schimmerte es kupferrot, doch nun war es völlig verfilzt und verdreckt. Auch Éannas Begleiter Brendan, Emily und Liam sahen nicht besser aus. Emily hatte ihr langes dunkelbraunes Haar schon vor Tagen mit einem Stück Schnur zu einem Zopf zusammengebunden, um nicht gänzlich verwahrlost zu wirken. Aber genau wie die bauschigen Lederkappen, die Brendan und Liam sich in New York als Kohlenschlepper zugelegt hatten, half dies nur wenig gegen das erbärmliche Bild, das die vier Freunde abgaben.
    Vor gut einer Woche waren sie von New York nach Missouri aufgebrochen, um sich im Grenzland bei Independence einem Siedlertreck nach Westen anzuschließen. Seitdem hatten sie in baufälligen Lagerschuppen und windschiefen Feldscheunen übernachtet und sich wie Landstreicher auf Vieh- und Güterwaggons geschlichen. Keine unnötige Ausgabe sollte ihre mühsam zusammengesparten Rücklagen belasten. Und so trugen sie den Dreck klobiger Fuhrwerke und offener Achterdecks mit sich, den Staub verrußter Eisenbahntrassen und schmutzstarrender Bretterverschläge. Doch die Strapazen hatten sich gelohnt, denn endlich waren sie in St. Louis angekommen. Allerdings war ihre Reise noch lange nicht zu Ende, sondern fand hier erst ihren eigentlichen Ausgangspunkt.
    Die Hafenstadt am schlammig braunen Mississippi war seit Langem das Tor in den Westen. Doch seit einigen Jahren brach nicht mehr nur die mutige, aber kleine Schar der Trapper und Pelzjäger in die schier endlosen Weiten auf. Tausende und Abertausende suchten mittlerweile ihr Glück in den noch kaum besiedelten Gebieten. Einige hofften darauf, fruchtbares Land zu besiedeln und bald eine Farm ihr Eigen nennen zu können, andere waren seit den sensationellen Goldfunden im fernen Sacramento-Tal vom Goldfieber gepackt. Doch ganz egal, aus welchen Gründen sie sich auf die beschwerliche und gefahrvolle Reise machten: Wer sich einem der zahllosen Überlandtrecks anschließen wollte, kam auf seiner Reise fast zwangsläufig nach St. Louis.
    Von hier aus ging es mit einem Flussschiff erst knappe zwanzig Meilen den Mississippi hinauf und dann auf dem Missouri fast vierhundert Meilen bis zu einer der Pioniersiedlungen Independence, Westport, Fort Leavenworth oder St. Joseph. Von dort brachen die Wagentrecks im Frühjahr zu ihrer monatelangen Reise nach Westen auf. Sie folgten dem mehr als zweitausend Meilen langen, berühmt-berüchtigten Oregon-Trail, von dem neuerdings hinter den Rocky Mountains der Kalifornien-Trail zu den Goldfeldern jenseits der Sierra Nevada abzweigte.
    Seit dem Goldrausch legten in St. Louis Tag für Tag durchschnittlich zehn voll belegte Flussdampfer von den Kais ab und nahmen Kurs auf die Grenzorte. Hunderte von Passagieren wurden auf jedem dieser Dampfer eng zusammengepfercht und doch waren alle überglücklich, wenn sie einen Platz ergattert hatten.
    An diesem ungemütlichen Tag in der ersten Aprilwoche würden es sogar noch mehr sein. Denn soeben legte von der benachbarten Pier unter weit schallendem Sirenenklang die Gallant, ein eleganter Zweidecker, ab. Es war bereits das zehnte Schiff des Tages, das den Hafen von St. Louis verließ. Und gleich würde ihr die Lewis & Clark folgen, die auf ihren hohen schwarzen Doppelschornsteinen die Farben einer konkurrierenden Dampferlinie trug. Ihre Kessel standen schon unter Dampf, wie die aus den Schornsteinkronen hervorquellenden Rauchwolken verrieten. Den Captain drängte es offensichtlich, so schnell wie möglich die Leinen loswerfen zu lassen und aus dem Hafen zu kommen. Das Gerücht ging um, dass sich die beiden Raddampfer ein Wettrennen nach Independence liefern würden, und scheinbar wollte der Schiffsführer den Vorsprung der Gallant unter keinen Umständen zu groß werden lassen. Wohl deshalb

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