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Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Stirner
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beider ist nicht anders zu überwinden, als wenn man beide vernichtet. Nur in diesem »man«, dem Dritten, findet der Gegensatz sein Ende; sonst aber decken Idee und Realität sich nimmermehr. Die Idee kann nicht so realisiert werden, daß sie Idee bliebe, sondern nur, wenn sie als Idee stirbt, und ebenso verhält es sich mit dem Realen.
    Nun haben Wir aber an den Alten Anhänger der Idee, an den Neuen Anhänger der Realität vor Uns. Beide kommen von dem Gegensatze nicht los und schmachten nur, die Einen nach dem Geiste, und als dieser Drang der alten Welt befriedigt und dieser Geist gekommen zu sein schien, die Andern sogleich wieder nach der Verweltlichung dieses Geistes, die für immer ein »frommer Wunsch« bleiben muß.
    Der fromme Wunsch der Alten war die Heiligkeit , der fromme Wunsch der Neuen ist die Leibhaftigkeit. Wie aber das Altertum untergehen mußte, wenn seine Sehnsucht befriedigt werden sollte (denn es bestand nur in der Sehnsucht), so kann es auch innerhalb des Ringes der Christlichkeit nimmermehr zur Leibhaftigkeit kommen. Wie der Zug der Heiligung oder Reinigung durch die alte Welt geht (die Waschungen usw.), so geht der der Verleiblichung durch die christliche: der Gott stürzt sich in diese Welt, wird Fleisch und will sie erlösen, d. h. mit sich erfüllen; da er aber »die Idee« oder »der Geist« ist, so führt man (z. B. Hegel) am Schlusse die Idee in Alles, in die Welt, ein und beweist, »daß die Idee, daß Vernunft in Allem sei«. Dem, was die heidnischen Stoiker als »den Weisen« aufstellten, entspricht in der heutigen Bildung »der Mensch«, jener wie dieser ein – fleischloses Wesen. Der unwirkliche »Weise«, dieser leiblose »Heilige« der Stoiker, wurde eine wirkliche Person, ein leiblicher »Heiliger« in dem fleischgewordenen Gotte; der unwirkliche »Mensch«, das leiblose Ich, wird wirklich werden im leibhaftigen Ich , in Mir.
    Durch das Christentum schlingt sich die Frage nach dem »Dasein Gottes« hindurch, die, immer und immer wieder aufgenommen, Zeugnis dafür ablegt, daß der Drang nach dem Dasein, der Leibhaftigkeit, der Persönlichkeit, der Wirklichkeit, unaufhörlich das Gemüt beschäftigte, weil er niemals eine befriedigende Lösung fand. Endlich fiel die Frage nach dem Dasein Gottes, aber nur, um wieder aufzustehen in dem Satze, daß das »Göttliche« Dasein habe (Feuerbach). Aber auch dieses hat kein Dasein, und die letzte Zuflucht, daß das »rein Menschliche« realisierbar sei, wird auch nicht lange mehr Schutz gewähren. Keine Idee hat Dasein, denn keine ist der Leibhaftigkeit fähig. Der scholastische Streit des Realismus und Nominalismus hat denselben Inhalt; kurz, dieser spinnt sich durch die ganze christliche Geschichte hindurch und kann in ihr nicht enden.
    Die Christenwelt arbeitet daran, die Ideen in den einzelnen Verhältnissen des Lebens, den Institutionen und Gesetzen der Kirche und des Staates zu realisieren ; aber sie widerstreben und behalten immer etwas Unverkörpertes (Unrealisierbares) zurück. Rastlos geht es gleichwohl auf diese Verkörperung los, so sehr auch stets die Leibhaftigkeit ausbleibt.
    Dem Realisierenden liegt nämlich wenig an den Realitäten, alles aber daran, daß dieselben Verwirklichungen der Idee seien; daher untersucht er stets von neuem, ob dem Verwirklichten in Wahrheit die Idee, sein Kern, inwohne, und indem er das Wirkliche prüft, prüft er zugleich die Idee, ob sie so, wie er sie denkt, realisierbar sei oder von ihm nur unrichtig und deshalb unausführbar gedacht werde.
    Als Existenzen sollen den Christen Familie, Staat usw. nicht mehr kümmern; nicht, wie die Alten, sollen die Christen für diese »göttlichen Dinge« sich opfern, sondern dieselben sollen nur benutzt werden, um in ihnen den Geist lebendig zu machen. Die wirkliche Familie ist gleichgültig geworden, und eine ideale , die dann die »wahrhaft reale« wäre, soll aus ihr entstehen, eine heilige, von Gott gesegnete, oder, nach liberaler Denkweise, eine »vernünftige«. Bei den Alten ist Familie, Staat, Vaterland usw. als ein Vorhandenes göttlich; bei den Neuen erwartet es erst die Göttlichkeit, ist als vorhandenes nur sündhaft, irdisch, und muß erst »erlöst«, d. h. wahrhaft real werden. Das hat folgenden Sinn: Nicht die Familie usw. ist das Vorhandene und Reale, sondern das Göttliche, die Idee, ist vorhanden und wirklich; ob diese Familie durch Aufnahme des wahrhaft Wirklichen, der Idee, sich wirklich machen werde, steht noch dahin. Es ist nicht

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