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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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aber ich sah es doch.
    „Mein ehemaliger Chef“, sagte sie, „konnte Alkohol nicht leiden. Da hab’ ich ihn mir auch abgewöhnt.“
    Sie ging wieder hinaus, ließ aber die Tür offen, und wenige Sekunden später kam sie mit einem Tablett herein. Sie schaltete den elektrischen Wasserkocher ein und setzte sich mir gegenüber. Ich bot ihr eine Zigarette an. Sie lächelte.
    „Danke, ich rauche auch nicht.“
    „Oh, — Verzeihung. Stört es Sie, wenn ich —“
    „Aber nein. Was wollen Sie nun von mir wissen?“
    „Ganz genau weiß ich das selber nicht. Was wissen Sie von Collins?“
    „Nicht sehr viel. Wenigstens nichts, was sein Privatleben betrifft. Er war der engste Mitarbeiter von Doktor Dardington. Er war sehr korrekt, sehr umsichtig, und es konnte keinen besseren Nachfolger für Dardington geben.“
    „Und privat?“
    „Weiß ich kaum etwas. Er stand so ziemlich mit uns allen auf dem gleichen freundschaftlichen Fuße.“
    „War er in Arlene Forjeon verliebt?“
    Sie schüttelte nachdenklich den Kopf.
    „Das wäre wohl zuviel gesagt. Er mochte sie recht gern, aber verhebt war er wohl nicht.“
    „Aber sie in ihn?“
    „Das könnte eher stimmen.“
    „Miß Miles, Sie sehen nicht so aus, als ob Sie sich keine Gedanken machen würden. Wer könnte Interesse an Collins’ Tod gehabt haben?“
    Das Teewasser kochte, und sie brühte den Tee in einer kleinen, roten Tonkanne auf. Dann setzte sie sich wieder.
    „Selbstverständlich habe ich darüber nachgedacht. Aber ich bin zu absolut keinem Ergebnis gekommen.“
    „Daß Arlene Forjeon bei dieser Gelegenheit auch mit ins Gras beißen mußte, wissen Sie vermutlich noch nicht?“
    Sie stieß einen kleinen Schrei aus und vergaß, den Mund ganz zu schließen. Sie hatte einen schönen, reifen Mund.
    „Ja“, sagte ich, „sie wurde in der gleichen Nacht mit Zyankali vergiftet.“
    „Das ist ja entsetzlich“, sagte sie leise, „sie war so hungrig nach dem Leben.“
    Sie lächelte, aber es war ein trauriges Lächeln.
    „Arlene war zehn Jahre jünger als ich. Sie war hungrig nach Liebe.“
    Ich blickte sie scharf an. „Sie nicht, Miß Miles?“
    Sie zuckte zusammen, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt.
    „Eine ziemlich taktlose Frage“, sagte sie, „finden Sie nicht, Mr. Marlon?“
    „Es ist verdammt schwer“, sagte ich, „zwei Morde aufzuklären, Miß Miles. Manchmal bleibt der Takt im Koffer. Wer könnte Collins und Arlene ermordet haben?“
    Sie stand wieder auf, schenkte den Tee ein und kam mit ihrer Tasse an den Tisch.
    „Und wer, Miß Miles, könnte William Dardington umgebracht haben? — Tut mir leid, — die schöne Tasse! Ich wußte nicht, daß Sie das so erschreckt, ich dachte, Sie wüßten das schon längst.“
    Sie bückte sich nicht, um die Scherben aufzuheben. Sie stand vor mir, ihre Arme hingen schlaff herab, und sie schaute mich schweigend an. Ich sah, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Dann brach sie zusammen. Sie ließ sich in den Sessel fallen, verbarg ihr Gesicht in den Händen und weinte.
    Ich rührte eine Weile versunken in meinem Tee. Dann sagte ich behutsam:
    „Sie wußten es doch, Miß Miles! Oder wußten Sie es nicht?“
    Sie nahm die Hände nicht vom Gesicht.
    „Ich — ich — nein, ich wußte es nicht“, stammelte sie, „aber ich — ich fürchtete es. Ich fürchtete es so sehr, daß ich es nicht wissen wollte. Es hätte ihn nicht wieder lebendig gemacht.“
    „Sie haben den Schlüssel in der Hand, Julia, wollen Sie ihn mir nicht geben?“
    Sie hob den Kopf und schaute mich an. Ihre Augen waren von Tränen verschleiert.
    „Ich weiß es doch nicht! Warum müssen Sie mich so quälen?“
    „Vielleicht“, sagte ich vorsichtig, „vielleicht quält es Sie nur deshalb so sehr, weil Sie fürchten, selber die Ursache seines Todes zu sein?“
    Ihre Augen bekamen einen geradezu irren Ausdruck.
    „Nein!“ schrie sie gellend auf, „nein! Das ist nicht Ihr Ernst! Kein Mensch auf der Welt wußte etwas davon!“
    „Wenn es aber seine Frau doch gewußt hätte?“
    Sie gab mir keine Antwort.
    „Er wollte Sie heiraten, nicht wahr?“
    „Nein! Das hätte er nie getan!“
    „Wer weiß — vielleicht doch. Oder vielleicht glaubten Sie es nur? Vielleicht wollten Sie ihn nicht verlieren?“
    Ich bekam keine Antwort mehr von ihr. Leise stand ich auf und ging hinaus. Als ich mit dem Lift wieder hinunter fuhr, war es Viertel nach fünf Uhr. Ich setzte mich in meinen Wagen und fuhr zu Dug Craig.

15

    Dug Craig wohnte

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