Der Engelspapst
Taschenlampe. Die Katzennärrin. Es gab nur eine Erklärung für ihr Erscheinen: Sie hatte es vor Neugier nicht mehr ausgehalten.
Markus Rosin feuerte und die alte Frau brach vor ihm zusammen. Die Taschenlampe entglitt ihrer Hand, rollte über den Boden. Der Lichtstrahl tanzte über die Felswände wie ein verirrter Kugelblitz.
Als die Lampe liegen blieb, fiel das Licht auf Rasser, der mit schussbereiter Pistole suchend in Alexanders Richtung starrte.
Alexander sprang auf, schleuderte den Stein und ließ sich sofort wieder fallen.
Rassers Aufstöhnen ging in der Detonation des Schusses unter.
Die Kugel klatschte zwei, drei Meter hinter Alexander gegen den Fels.
Er stieß sich vom Boden ab und sprintete auf Rasser zu, der die linke Hand gegen die blutende Stirn presste. Rasser riss die Automatik herum und wollte erneut abdrücken. Alexander war schneller, er packte den rechten Arm seines einstigen Freundes und hielt ihn fest. Die Wucht seines Ansturms riss sie beide zu Boden. Sie rangen um die Kontrolle über die Waffe, die noch immer in Rassers Hand lag.
«Diesmal werde ich dich nicht schonen, Verräter!», keuchte Rasser. «Ich hätte schon damals in der Waffenkammer Schluss mit dir machen sollen!»
«Ich halte einen anderen von uns für den Verräter», brachte Alexander im stoßweisen Rhythmus seines heftigen Atmens hervor, während er zu verhindern suchte, dass der kräftige Gardist, der über größere Körperkraft verfügte als er, die Waffe auf ihn richtete. «Du warst der Einbrecher?»
«Natürlich. Wenn das Waffenausgabebuch als gestohlen galt, konnte auf mich kein Verdacht fallen. Mit dir habe ich nicht gerechnet, dachte, du wärst längst in dein Zimmer gegangen.
Fehlanzeige! Als ich dich kommen sah, habe ich mich zwischen den Stahlschränken versteckt. Den Rest kennst du.»
«Nicht ganz. Wer hat mir den Hieb verpasst?»
«Der FvD natürlich, Mäder. Der Idiot sollte Schmiere stehen, hat dich aber nicht bemerkt. Erst der Lärm unseres Kampfes hat ihn stutzig gemacht. Er hätte fester zuschlagen sollen, aber das hole ich jetzt nach!»
Rasser glaubte, die Oberhand zu gewinnen, als Alexanders Druck auf seinen Waffenarm nachließ. Alexander hatte absichtlich nachgegeben, um ihn in falscher Sicherheit zu wiegen, getreu den Worten Meister Funakoshis: Das Nachgeben hat nur Sinn, wenn die Kraft des Gegners gegen ihn verwendet, wenn er durch seine Kraft besiegt wird.
Als Rasser die Waffe auf Alexanders Brust richtete, packte dieser den Unterarm des Gegners mit neuer Kraft und drehte ihn herum. Der Schuss löste sich und traf Rasser mitten ins Herz.
Alexander spürte kein Bedauern. Er hatte den Freund längst verloren.
Hastig rappelte er sich auf, um nach den anderen zu sehen.
Infernalischer Lärm erfüllte den Gang: Kreischen, Schreien und Fauchen, in das sich die schnellen Schritte der Gardisten mischten, die aus der Kapelle herankamen. In dem engen, dunklen, ihnen unbekannten Stollen mussten sie sich erst zurechtfinden, was Zeit kostete.
Alexander hob die Taschenlampe auf und beleuchtete die am Boden kauernde Gestalt des Papstes. Ein Schreck durchfuhr ihn.
War der Heilige Vater verwundet?
Dann aber sah er, dass Custos sich um die Katzennärrin kümmerte. Sie blutete aus einer Wunde am Kopf. Hätte die Kugel sie nicht nur gestreift, hätten wohl selbst die heilenden Kräfte des Papstes ihr nicht mehr helfen können. Custos wirkte vollkommen konzentriert; vorsichtig strich er mit der Hand über die Stirnwunde. Die Signora lag mit geschlossenen Augen in seinem Schoß.
Alexander ließ den Lichtkegel weiterwandern zu einem Knäuel miteinander ringender Leiber. Markus Rosin wälzte sich am Boden hin und her und versuchte, etliche Katzen von seinem Körper zu schütteln. Immer wieder sprangen die Tiere ihn an und schlugen ihre scharfen Krallen in sein Fleisch. Kein Zweifel, sie verteidigten ihre Herrin – oder rächten sie. Tiger bearbeitete das Gesicht des Generals, der sich mit fahrigen Bewegungen wehrte. Die Waffe war ihm entfallen.
Alexander nahm die Automatik auf und vertrieb die Katzen mit ein paar Fußtritten. Markus Rosins Abwehrbewegungen erlahmten, als die Tiere ihn nicht mehr bedrängten, aber er schien nicht aufstehen zu wollen. Jetzt erkannte Alexander, warum er sich so unbeholfen gegen die Katzen verteidigt hatte: Tiger hatte ganze Arbeit geleistet und ihm beide Augen ausgekratzt.
Alexander richtete die Waffe auf die Stirn des laut stöhnenden Mannes, genau zwischen die beiden
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