Der Erdbeerpfluecker
reichte es Imke.
hallo
schwarzer mann
gehörst der dunkelheit
nicht mir
hallo
du
mein liebster
tauch
mit mir
ins licht
»Wenn er nicht gerade Erdbeeren gepflückt hat«, sagte Merle verächtlich, »hat er sich wie eine Ratte verkrochen. Caro durfte nichts über ihn wissen und von dem wenigen, das sie schließlich doch erfahren hatte, nichts ausplaudern. Das war eine von vorn bis hinten kranke Beziehung.«
Hatte er Jette auch zum Stillschweigen verpflichtet? Imke erinnerte sich an ein anderes Gedicht.
versprichst mir
dein leben
und verrätst
doch nichts
dabei weißt du
alles
über mich
Tilo hatte sich geweigert, sich die Gedichte näher anzusehen und ihr bei der Interpretation zu helfen. Erstens handle es sich bei den Texten um Literatur, hatte er gesagt, und die könne man nicht ohne weiteres auf ein Leben übertragen.
Zweitens sehe er sich außerstande, sich verbindlich über eine Person zu äußern, die er nicht gekannt habe. »Und drittens«, hatte er hinzugefügt, »bin ich nicht dazu bereit, mich in die Arbeit der Polizei einzumischen.«
Aber verriet dieses Gedicht nicht sehr viel über Caro? Konnte man nicht daraus schließen, dass sie so sehr unter der Verschlossenheit des Mannes gelitten hatte, dass sie wieder anfing, sich selbst zu verletzen?
Doch wenn diese Schlussfolgerung richtig war, waren dann nicht auch Rückschlüsse auf den Mann erlaubt?
»Hier«, sagte Merle und reichte Imke ein anderes Gedicht. »Die letzten drei Zeilen.«
auf deinem mund
ein schrecklich rotes
süßes lächeln
»Ein Erdbeerlächeln«, sagte Merle. »Rot und süß. Und schrecklich. Vielleicht hatte Caro Angst vor ihm.«
»Langsam.« Imke massierte sich die Stirn. Sie hatte Kopfschmerzen. »Langsam. Damit ich alles begreife.«
Konnte ein Serienmörder sich verlieben? Hatte er zu jedem seiner Opfer eine längere Beziehung gehabt? War vielleicht in jeder dieser Beziehungen etwas schief gelaufen, das ihn zum Töten getrieben hatte?
Imke wünschte, sie würde sich diese Fragen nur stellen, weil sie Teil der Recherchen für ein neues Buch wären.
Plötzlich kehrte ihre Angst zurück. Der Schock war überwunden. Und obwohl die Angst ihr den Magen umstülpte, war sie froh darüber, dass sie wieder etwas empfand. »Wir müssen den Kommissar anrufen.«
»Er ist nicht in seinem Büro und über sein Handy hab ich ihn auch nicht erreicht.«
»Dann hinterlassen wir ihm eine Nachricht.«
»Hab ich schon gemacht. Wir können nur noch warten.«
Imke setzte sich an den Tisch. Sie starrte auf die Dinge, die Merle darauf ausgebreitet hatte. Warten.
»Weißt du, wo sie unterwegs sind?« Es fiel Imke schwer, Jette und diesen Mann in einem Atemzug zu nennen.
Merle schüttelte den Kopf. »Sie wollten in eine kleine mittelalterliche Stadt, aber Jette hat den Namen nicht erwähnt.« Sie gab Imke den Brief.
Als sie die Schrift ihrer Tochter sah, brach Imke in Tränen aus. Diesmal war es Merle, die sie tröstete und beruhigte. Sie legte ihr die Arme um die Schultern und wiegte sie sanft hin und her. »Wir finden sie«, murmelte sie. »Uns fällt schon was ein.«
Es war wirklich schön in dieser verträumten Stadt, wenn ich Gorgs Begeisterung auch nicht gänzlich nachvollziehen konnte. Bucklige alte Häuser drängten sich um einen kleinen Marktplatz mit Kopfsteinpflaster. Auf solchen Plätzen waren früher Frauen als Hexen verbrannt worden.
»Das Mittelalter war eine grausame Zeit«, sagte ich. »Das darf man beim Anblick dieser putzigen Häuschen nicht vergessen.«
»Jede Zeit ist grausam.« Gorg legte mir den Arm um die Schultern. »Der Mensch von heute hat seine Methoden nur verfeinert.«
Er war so widersprüchlich. Konnte sich an etwas Schönem erfreuen wie ein Kind und gleich darauf solche Dinge sagen. Vielleicht kam das daher, dass er älter war. Er hatte schon so viel mehr gesehen und erlebt als ich.
In einem Straßencafß© tranken wir einen Espresso und betrachteten die Leute, die vorbeischlenderten. Gorgs Gesicht war weich vor Wohlbehagen. Ich beugte mich zu ihm hinüber und küsste ihn auf die Wange.
Ich werde Geduld mit dir haben, versprach ich ihm in Gedanken. Und ich werde alles tun, um dich glücklich zu machen.
Der Anruf kam, als Imke und Merle über der Landkarte brüteten. Es gab so viele alte Orte in dieser Gegend. Woher sollten sie wissen, in welchen Jette mit diesem Mann gefahren war?
Er hieß Gorg. Das zumindest hatte Jette ihrer Freundin
Weitere Kostenlose Bücher