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Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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weder Rufe noch Schreie aus, und Tenar wußte nicht, welche Vögel es waren.
    Am Morgen kamen Leute aus dem Dorf Re Albi; Ogions abgelegenes Haus stand nördlich des Ortes. Eine Ziegenhirtin kam, eine Frau holte die Milch von Ogions Ziegen, und andere fragten, was sie für ihn tun konnten. Tantchen Moor, die Dorfhexe, betastete den Erlenstock und den Haselnußstecken neben der Tür und lugte hoffnungsvoll herein, doch nicht einmal sie wagte einzutreten, und Ogion knurrte von seinem Strohsack aus: »Schick sie fort! Schick alle fort!«
    Es hatte den Anschein, als sei er kräftiger geworden und fühle sich besser. Als die kleine Therru aufwachte, sprach er mit ihr in der einfachen, freundlichen, ruhigen Art, an die sich Tenar erinnerte. Das Kind ging hinaus, um in der Sonne zu spielen, und er wandte sich Tenar zu: »Mit welchem Namen rufst du sie?«
    Er kannte die Wahre Sprache des Erschaffens, aber er hatte nie Kargisch gelernt.
    »Therru bedeutet brennen, das Aufflammen von Feuer«, antwortete sie.
    »Ah, ah«, sagte er, seine Augen leuchteten, und er runzelte die Stirn. Einen Augenblick lang schien er nach Worten zu suchen. »Die da«, sagte er, »die da – sie werden sie fürchten.«
    »Sie fürchten sie schon jetzt«, meinte Tenar bitter.
    Der Magier schüttelte den Kopf.
    »Lehre sie, Tenar«, flüsterte er. »Lehre sie alles! … Nicht Rok. Sie haben Angst … Warum habe ich dich gehen lassen? Warum bist du gegangen? Um sie herzubringen – zu spät.«
    »Sei still, sei still«, ermahnte sie ihn zärtlich, denn er kämpfte um Worte und Atem und fand beides nicht. Er schüttelte den Kopf, keuchte: »Lehre sie!« Und hörte auf, sich zu bewegen.
    Er wollte nicht essen und trank nur ein wenig Wasser. Um die Tagesmitte schlief er. Als er am späten Nachmittag erwachte, verlangte er: »Jetzt, Tochter.« Und er setzte sich auf.
    Tenar ergriff seine Hand und lächelte ihn an.
    »Hilf mir aufstehen.«
    »Nein, nein.«
    »Ja. Ins Freie. Ich kann nicht im Haus sterben.«
    »Wohin möchtest du?«
    »Irgendwohin. Aber wenn ich es schaffe, den Waldweg. Die Buche oberhalb der Wiese.«
    Als sie sah, daß er aufzustehen vermochte und entschlossen war, ins Freie zu gelangen, half sie ihm. Sie gingen gemeinsam zur Tür, wo er stehenblieb und sich in dem einzigen Raum seines Hauses umsah. In der dunklen Ecke rechts von der Tür lehnte sein hoher Stab schwach glänzend an der Wand. Tenar griff danach, um ihn Ogion zu reichen, doch er schüttelte den Kopf. »Nein, nicht ihn.« Er sah sich wieder um, als suche er etwas Fehlendes, Vergessenes. »Komm jetzt«, forderte er sie schließlich auf.
    Als ihm der frische Wind aus dem Westen ins Gesicht blies und er zum hohen Horizont hinausblickte, sagte er: »Das ist gut.«
    »Laß mich Leute aus dem Dorf holen, damit sie eine Trage machen und dich tragen«, bat sie. »Alle warten darauf, etwas für dich zu tun.«
    »Ich will gehen«, erklärte der alte Mann.
    Therru kam um die Hausecke und sah ernst zu, wie Ogion und Tenar Schritt für Schritt über die verwilderte Wiese auf den Wald zugingen, der an der inneren Seite des Felsens am steilen Hang hinaufkletterte, und wie sie alle fünf oder sechs Schritte stehenblieben, damit Ogion keuchend Luft holen konnte. Die Sonne war heiß und der Wind kalt. Sie brauchten sehr lange, um die Wiese zu überqueren. Als sie endlich den Fuß einer großen jungen Buche erreichten, dicht am Waldrand, wenige Schritte oberhalb eines beginnenden Bergpfads, war Ogions Gesicht grau, und die Beine zitterten ihm wie Gras im Wind. Er sank zwischen den Wurzeln des Baumes nieder und lehnte sich mit dem Rücken an den Stamm. Lange konnte er sich weder bewegen noch sprechen, und das wild pochende und zeitweise aussetzende Herz erschütterte den Körper. Endlich nickte er und flüsterte: »Es ist gut.«
    Therru war ihnen in einiger Entfernung gefolgt. Tenar trat zu ihr, drückte sie an sich und sprach ein wenig mit ihr. Dann kam sie zu Ogion zurück. »Sie bringt eine dicke Decke.«
    »Nicht kalt.«
    »Mir ist kalt.«
    Auf ihrem Gesicht lag die Andeutung eines Lächelns.
    Das Kind schleppte eine Decke aus Ziegenwolle heran. Es flüsterte Tenar etwas zu und lief wieder davon.
    »Heide wird ihr erlauben, beim Melken der Ziegen zu helfen, und sich um sie kümmern«, erklärte Tenar. »Damit ich bei dir bleiben kann.«
    »Für dich gibt es niemals nur eine einzige Aufgabe«, flüsterte er heiser und pfeifend; mehr war ihm von seiner Stimme nicht geblieben.
    »Ja, immer

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