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Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K LeGuin
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Mann von Paln«, sagte Erle mit leichtem Unbehagen in der Stimme.
    Paln, die größte Insel westlich von Havnor, stand in dem Ruf, ein unheimlicher Ort zu sein. Die Pelner sprachen Hardisch mit einem eigentümlichen Akzent und verwendeten viele eigene Wörter. Ihre Herren hatten in uralten Zeiten den Königen von Enlad und Havnor die Lehnstreue verweigert. Ihre Zauberer gingen nicht zur Ausbildung nach Rok. Die Pelnische Lehre, die sich auf die Alten Mächte der Erde berief, galt weithin als gefährlich, wenn nicht gar unheilvoll. Vor langer Zeit hatte der Graue Magier von Paln seine Insel in den Ruin gestürzt, indem er die Seelen der Toten gerufen hatte, auf dass sie ihn und seine Herren berieten, und jene Mär war Bestandteil der Ausbildung eines jeden Hexers: »Die Lebenden sollten sich niemals Rat bei den Toten holen.« Es hatte mehr als nur ein Duell in Zauberkunst zwischen einem Mann von Rok und einem Mann von Paln gegeben. Bei einem solchen Wettstreit war vor zwei Jahrhunderten eine Pestilenz entfesselt worden, welche die Städte und Dörfer Palns und Semels zur Hälfte entvölkert hatte. Und vor fünfzehn Jahren, als der Schwarzkünstler Cob die Pelnische Lehre benutzt hatte, um zwischen Leben und Tod hin und her zu wandern, hatte der Erzmagier Sperber seine ganze Kraft verausgabt, um ihn zu besiegen und das Übel zu heilen, das er angerichtet hatte.
    Erle war wie fast jeder am Hofe und aus dem Rat des Königs dem Hexer Seppel bisher höflich aus dem Weg gegangen.
    »Ich habe den König gebeten, ihn mit nach Rok zu nehmen«, sagte Onyx.
    Erle blinzelte.
    »Sie wissen mehr über diese Dinge als wir«, erklärte Onyx. »Ein großer Teil unserer Kunst des Gebietens kommt aus der Pelnischen Lehre. Thorion war ein Meister darin ... Der jetzige Gebieter von Rok, Brand von Venweg, will von nichts Gebrauch machen, was dieser Lehre entspringt. Unsachgemäß angewendet, hat sie nur Unheil gebracht. Aber womöglich ist es nur unsere Ignoranz, die dazu geführt hat, dass wir sie falsch angewendet haben. Sie geht auf uralte Zeiten zurück; es könnte Wissen in ihr stecken, das uns verloren gegangen ist. Seppel ist ein weiser Mann und Magier. Ich finde, er sollte mit dabei sein. Und ich glaube, er wäre in der Lage, Euch zu helfen, falls Ihr ihm vertrauen könnt.«
    »Wenn er Euer Vertrauen hat«, erwiderte Erle, »dann hat er auch das meine.«
    Als Erle mit der silbernen Zunge von Taon sprach, lächelte Onyx ein wenig dünn. »Euer Urteil ist so gut wie meines in diesem Gewerbe, Erle«, sagte er. »Oder gar noch besser. Ich hoffe, Ihr hört darauf. Aber ich werde Euch zu ihm bringen.«
    Und so gingen sie denn zusammen hinunter in die Stadt. Seppels Quartier befand sich in einem alten Teil der Stadt in der Nähe der Schiffswerften, nahe der Bootsbauerstraße; dort war eine kleine Kolonie von Pelnern, die einst geholt worden waren, um auf den Werften des Königs zu arbeiten, denn sie waren große Schiffsbauer. Die Häuser waren alt und standen dicht an dicht, miteinander verbunden durch Brücken von Dach zu Dach, welche dem Hafen von Havnor ein zweites, luftiges Gewirr von Straßen hoch über seinen gepflasterten Wegen auf dem Erdboden gaben.
    Seppels Räume im vierten Stockwerk waren dunkel und schwül in der Spätsommerhitze. Er führte sie eine weitere Treppe hinauf auf das Dach. Es war mit anderen Dächern durch eine Brücke auf jeder Seite verbunden, sodass es eine regelrechte Kreuzung gab und eine Durchfahrt, die über das Dach führte. Sonnensegel waren an der niedrigen Brüstung gespannt, und die Brise vom Hafen kühlte die Luft. Dort nahmen sie auf gestreiften Segeltuchmatten in einer geschützten Ecke des Daches Platz, die Seppel gehörte, und er gab ihnen einen kühlen, leicht bitteren Tee zu trinken.
    Er war ein kleiner Mann von etwa fünfzig Jahren, beleibt, mit kleinen Händen und Füßen, Haar, das ein wenig kraus und störrisch war, und - was selten zu sehen war bei den Männern des Archipels - einem kurz gestutzten Bart auf seinen dunklen Wangen und seinem Kinn. Er war von freundlicher, umgänglicher Art und sprach leise in einem etwas nuschelnden, singenden Akzent.
    Er und Onyx unterhielten sich, und Erle lauschte ihnen eine ganze Weile schweigend. Seine Gedanken schweiften ab, als sie über Leute und Dinge sprachen, von denen er nichts wusste. Er schaute über die Dächer und Sonnensegel, die Dachgärten und die bogenförmigen und kunstvoll verzierten Brücken hinaus nach Norden, zum Berg Onn, einer

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