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Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K LeGuin
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den Hufschlag hörten, hasteten die Menschen in die Eingänge kleiner dunkler Läden, um den König zu bestaunen und zu grüßen. Frauen, die in ihren Fenstern hingen, sich Luft zufächelten und mit der Nachbarin von der anderen Straßenseite tratschten, schauten nach unten und winkten, und eine von ihnen warf ihm eine Blume hinunter. Die Hufe seines Pferdes hallten jetzt hart auf dem Pflaster eines breiten, von der Sonne gebackenen Platzes wider, der verwaist war bis auf einen ringelschwänzigen Hund, der auf drei Beinen davontrottete, ohne jegliches Interesse an allem Königlichen. Von dem Platz aus nahm der König eine schmale Passage, die zu dem gepflasterten Weg neben dem Fluss Serrenen führte, und folgte diesem im Schatten der Weiden unter der alten Stadtmauer bis zum Flusshaus.
    Der Ritt hatte seinen Zorn ein wenig besänftigt. Die Hitze, Stille und Schönheit der Stadt, der Gedanke an die pralle Fülle und Vielfalt des Lebens hinter den Mauern und Fensterläden, das Lächeln der Frau, die ihm die Blume zugeworfen hatte, die kleine Befriedigung, seinen ganzen Schwanz von Bewachern und Prunkmachern hinter sich gelassen zu haben, und schließlich der Duft und die Kühle des Flusses sowie der schattige Hof des Hauses, in dem er so viele Tage und Nächte des Friedens und der Freude erlebt hatte, das alles hatte ihn ein Stück von seinem Zorn entfernt. Er fühlte sich seiner selbst entfremdet, nicht länger besessen, sondern leer und geläutert.
    Die ersten Reiter seines Gefolges kamen gerade in den Hof geritten, als er sich aus dem Sattel seines Rosses schwang, das froh war, im Schatten stehen zu können. Er ging ins Haus, platzte zwischen Dutzende von Lakaien wie ein Stein, der in einen stillen Teich fällt, hastig sich ausweitende Kreise von Bestürzung und Panik erzeugend. »Sagt der Prinzessin, dass ich hier bin.«
    Lady Opal von der lieblichen Insel Ilien, die turnusmäßig die Hofdamen der Prinzessin unter ihren Fittichen hatte, erschien prompt auf dem Plan, begrüßte ihn huldvoll, bot ihm eine Erfrischung an und verhielt sich, als wäre sein Besuch überhaupt keine Überraschung für sie. Diese Zuvorkommenheit besänftigte und ärgerte ihn gleichermaßen. Endlose Heuchelei! Aber was hätte Lady Opal denn tun sollen - Maulaffen feilhalten (wie es eine sehr junge Hofdame tat), weil der König endlich und unerwartet gekommen war, der Prinzessin seine Aufwartung zu machen?
    »Ich bedauere so sehr, dass die Herrin Tenar im Augenblick nicht zugegen ist«, sagte sie. »Es ist um so vieles leichter, mit der Prinzessin zu reden, wenn sie dabei ist und dolmetscht. Aber die Prinzessin macht wirklich bewundernswerte Fortschritte mit dem Sprechen.«
    Lebannen hatte das Sprachproblem völlig vergessen. Er nahm den kühlen Trunk, den sie ihm reichte, entgegen und sagte nichts. Lady Opal versuchte, mit Unterstützung der anderen Damen ein paar Artigkeiten mit Lebannen auszutauschen, stieß aber eher auf Einsilbigkeit. Dem König dämmerte inzwischen, dass wahrscheinlich von ihm erwartet wurde, mit der Prinzessin im Dabeisein all ihrer Hofdamen zu sprechen, wie es nur schicklich war. Was auch immer er vorgehabt haben mochte, ihr zu sagen - jetzt war es ihm unmöglich geworden, überhaupt etwas zu sagen. Er war gerade im Begriff, aufzustehen und sich zu entschuldigen, als eine Frau, deren Kopf und Schultern hinter einem roten, kreisförmigen Schleier verborgen waren, in der Tür erschien, auf die Knie fiel und sagte: »Bitte? König? Prinzessin? Bitte?«
    »Die Prinzessin wird Euch in ihren Gemächern empfangen, Majestät«, dolmetschte Lady Opal. Sie winkte einem Lakaien, der ihn die Treppe hinauf eskortierte, durch einen Gang, durch ein Vorzimmer, durch einen großen, dunklen Raum, der mit Damen mit roten Schleiern voll gestopft zu sein schien, und schließlich hinaus auf einen Balkon über dem Fluss. Dort stand die Gestalt, an die er sich erinnerte: der unbewegliche Zylinder aus Rot und Gold.
    Die Brise vom Fluss ließ die Schleier erzittern und schimmern, sodass die Gestalt nicht fest und kompakt erschien, sondern zart und zerbrechlich, bebend und erschauernd, wie das Blattwerk der Weidenbäume am Fluss. Sie schien in sich zusammenzuschrumpfen, kleiner zu werden. Sie machte ihren Knicks vor ihm. Er verbeugte sich vor ihr. Dann richteten sich beide auf und standen sich schweigend gegenüber.
    »Prinzessin«, sagte Lebannen mit einem Gefühl von Unwirklichkeit, als er seine eigene Stimme hörte, »ich bin hier, um Euch

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