Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
Vom Netzwerk:
und mit raschen Schritten auf die andere Seite der Halle ging. Do vraga! Er drehte sich um und begann ihm zu folgen, peinlichst darauf bedacht, nicht zu laufen. Er hat dich nicht gesehen, redete er sich ein.
     
    Jon ermahnte sich selbst, nicht zu rennen. Damit würde er sofort verraten, dass er seinen Verfolger entdeckt hatte. Er hatte das Gesicht nicht wiedererkannt, aber das war auch nicht nötig gewesen, denn der Mann trug das rote Halstuch. Auf der Treppe nach unten in die Ankunftshalle spürte Jon, wie ihm der Schweiß ausbrach.
    Unten angekommen, schlug er die entgegengesetzte Richtung ein, und sobald er außer Sichtweite der Treppe war, begann er zu laufen. Die Gesichter der Menschen flatterten mit Ragnhilds leeren Augenhöhlen und ihrem nicht enden wollenden Schrei vorbei. Er rannte noch eine Treppe nach unten, und plötzlich war er allein. Keine Menschen mehr um ihn herum, nur noch kalte Luft und das Echo seiner eigenen Schritte. Seines Atems. Er befand sich in einem leicht abschüssigen Flur. Jon zögerte einen Moment, denn das musste der Weg zum Parkhaus sein. Starrte in das schwarze Auge einer Überwachungskamera, als könnte er dort eine Antwort finden. Ein paar Meter vor sich sah er ein Schild über einer Tür leuchten, es sah aus wie ein Abbild seiner selbst: ein in starrer Haltung dastehender Mann. Die Herrentoilette. Ein Versteck. Außer Sichtweite. Dort konnte er sich einschließen. Warten bis zum Abflug.
    Er hörte das Echo rascher Schritte näher kommen, rannte zur Toilette, riss die Tür auf und trat ein. Das Licht, das ihm entgegenstrahlte, war so weiß wie der Glanz des Himmels – zumindest stellt er sich das so vor –, mit dem ein Sterbender empfangen wurde. Für eine so abgelegene Toilette war sie widersinnig groß. Weiße Becken warteten in einer leeren Reihe auf der einen Seite, während auf der anderen ebenso weiße Kabinen lagen. Er hörte die Tür mit einem metallischen Klicken hinter sich ins Schloss fallen.
     
    *
     
    In dem engen Flughafen-Überwachungsraum war es unangenehm stickig und warm.
    »Da«, sagte Martine und wies auf einen Bildschirm.
    Harry und die zwei Wachmänner drehten sich zuerst zu ihr um und starrten dann auf die Wand mit den Monitoren, auf die sie zeigte.
    »Welcher?«, fragte Harry.
    »Der hier«, sagte sie und trat näher an einen der Monitore, der einen leeren Flur zeigte. »Ich habe ihn vorbeigehen sehen. Ich bin mir sicher, dass er es war. «
    »Das ist die Überwachungskamera unten in der Passage zum Parkhaus«, sagte einer der Wachmänner.
    »Danke«, sagte Harry. »Den Rest mache ich allein.«
    »Warten Sie«, sagte einer der Männer. »Das ist hier ein internationaler Flughafen. Sie brauchen eine Autorisierung, auch wenn Sie Polizist «
    Er hielt abrupt inne. Harry hatte den Revolver aus seinem Hosenbund gezogen und wog ihn in der Hand: »Könnten wir uns darauf einigen, dass der bis auf Weiteres reicht?«
    Harry wartete nicht auf eine Antwort.
     
    Jon hatte jemand in die Toilette kommen hören. Trotzdem hörte er in diesem Augenblick nur das Rauschen des Wassers in den weißen, tränenförmigen Becken vor der Kabine, in der er sich eingeschlossen hatte.
    Jon saß auf dem Klodeckel. Die Kabinen waren oben offen, aber unten reichten die Türen bis auf den Boden, so dass er die Beine nicht hochziehen musste.
    Dann stoppte das Rauschen, und er vernahm ein Rieseln. Jemand pinkelte.
    Jons erster Gedanke war, dass das nicht Stankic sein konnte. Niemand war so kaltblütig und dachte ans Pinkeln, ehe er jemand umbrachte. Sein zweiter, dass es vielleicht stimmte, was Sofias Vater über den kleinen Erlöser gesagt hatte, den man für ein Butterbrot im Hotel International in Zagreb anheuern konnte: dass er keine Angst kannte.
    Jon hörte deutlich das Ratschen eines Reißverschlusses, der hochgezogen wurde, ehe die Wassermusik des weißen Porzellanorchesters erneut losbrach.
    Als sie wie auf das Kommando eines Taktstocks verstummte, hörte er Wasser in einem Waschbecken laufen. Ein Mann wusch sich die Hände. Gründlich. Dann wurde der Hahn zugedreht. Jetzt wieder Schritte. Ein leises Knirschen der Tür. Das metallische Klicken.
    Jon sackte auf dem Deckel der Toilette zusammen, die Tasche im Schoß.
    Es klopfte an der Kabinentür.
    Drei leichte Schläge, die sich jedoch so anhörten, als würde jemand mit etwas Hartem an die Tür klopfen. Mit Stahl zum Beispiel.
    Es war, als weigerte sich das Blut, in sein Gehirn zu fließen. Er rührte sich nicht. Schloss nur

Weitere Kostenlose Bücher