Der erste Tag
Ich möchte nicht unhöflich sein und mich gleich vorstellen. Mein Name ist Jakob und ich bin nicht unbedingt jemand, der auffällt. Wenn Sie an mir vorbeigehen, dem geschäftigen Treiben folgen, werden Sie mich nicht bemerken. Ich habe lange genug in dieser sterblichen Welt gelebt, um zu erkennen, dass es in unserer Gesellschaft um Vergängliches geht. Geld, Schönheit und Erfolg. Ich will ehrlich sein, das hat mich noch nie interessiert. Sicher ist das alles furchtbar wic htig, aber wie setzt man seine Prioritäten, wenn Frieden, Harmonie und Glaube noch viel bedeutsamer sind? Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden, habe das Wachsen und Sterben von Gras beobachtet, den Tieren und Gebäuden beim Altern zugesehen – ja ich wollte sogar selbst einmal Herr über einen Hof werden. Was ich jetzt bin, werden Sie schon bald erfahren. Aber es gibt noch etwas über meine Vergangenheit zu sagen. Ich habe schon recht früh die Liebe zu meinem eigenen Geschlecht entdeckt. Burschen und Männer beflügelten meine Phantasie, als ich noch den Stimmbruch hatte. Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, so begreife ich, wie sehr ich Helden bewundert habe und auch die Eigenschaften unterhalb der Oberfläche, wenn Sie verstehen was ich meine. Ich sehe schon, wir werden wunderbar miteinander auskommen. Sie sind schon jetzt mein Verbündeter. Um mein Abenteuer zu verstehen, müssen Sie meine größte Angst kennen. Tod und Krankheit haben mich stets eingeschüchtert. Vielleicht ist es menschlich, so zu empfinden, aber diese Tatsache wollte ich ändern. Ich träumte, sehnte, betete. Ich konnte nicht ahnen, dass jemand meine Gebete erhörte. Aber ich greife schon wieder vor. Es gibt noch einen letzten Punkt, die Schlüsselszene, deren Schilderung vieles verständlicher für Sie macht.
Mein bester Freund. Ich habe ihn kennen gelernt, als ich verzweifelt nach Hilfe gesucht habe. Er
stand mir während meiner Schulzeit treu zur Seite und teilte mit mir so manches Geheimnis. Auch wenn meine Absichten egoistisch erscheinen mögen, Sie werden erkennen, dass ich diese Geschichte nur wegen ihm verfasst habe.
Er ist es, dem ich Rechenschaft schulde. Er ist es, der meine Entschuldigung annehmen muss.
Mein Verbrechen? Lauschen Sie!
Es war ein kalter Septembertag, der zu Ende ging. Die Luft war feucht und roch nach verfaulten Äpfeln. Ich hatte gemeinsam mit meinem Vater die Schweine im Stall versorgt und schloss die Tür zur Tenne.
„So viel Niederschlag im Sommer kann nichts Gutes für den kommenden Winter bedeuten.“ Meine Voraussichten waren wieder einmal düster und pessimistisch.
„Ach was, deine Erinnerungen trügen. Es hat schon viele verregnete Jahre gegeben und die kalte Jahreszeit war dann doch nicht so streng. Man muss das Wetter so nehmen wie es kommt“, erwiderte mein Vater. Er reagierte auf vieles mit einer Ruhe, um die ich ihn beneidete.
„Morgen gibt es bestimmt Nebel“, murmelte ich.
Ich zog meine Weste aus und betrat die Küche. Da ich hundemüde war, ging ich sofort unter die Dusche und genehmigte mir anschließend einen heißen Kakao. Ich dachte an meinen besten Freund, der gerade die Abendschule besuchte und sich mit irgendeiner neuen Fremdsprache herumschlagen musste.
Ich schaute mir eine alte Alias-Folge auf DVD an und öffnete trotz der niedrigen Temperat uren, die draußen herrschten, zwei Fenster. Ich fühlte mich nicht wohl und ich wusste nicht warum. Langsam verging die Müdigkeit und lange nachdem ich meinen Eltern eine gute Nacht gewünscht hatte, lag ich in meinem Bett und dachte über die Dunkelheit nach. Das vertraute Flimmern des Fernsehers verschwand nach einem kurzen Klick mit der Fernbedienung. Ich war unruhig. Ich vermisste meinen kleinen Bruder, der schon seit drei Wochen nicht mehr zuhause war. Er absolvierte gerade den letzten Monat beim Bundesheer. Obwohl wir oft miteinander stritten, gab es eine Verbindung zwischen uns, die man nur dann versteht, wenn man Geschwister hat. Ich dachte an Jungs, die mir früher einmal gut gefallen haben. Ich war mit meinen 24 Jahren noch Jungfrau und war sogar stolz darauf. Vieles habe ich gelernt, anderes abgeschlossen. Ich habe mal einen jungen Mann so sehr geliebt, dass ich mein Leben für ihn gegeben hätte. Natürlich ist nichts aus dieser Hoffnung geworden, weil er überzeugter Hetero war und damit endete dieses Kapitel. Eines Tages habe ich dann beschlossen, Single zu bleiben. Nicht weil es bequem war oder weil ich frei sein konnte,
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