Der erste Tod der Cass McBride
Schluchzen zu unterdrücken, klangen wie heisere Huster.
»Sie ist mein kleines Mädchen. Ich würde alles darum geben, sie zurückzubekommen.« Er begann, sich hin und her zu wiegen. »Gott, mach, dass ihr nichts angetan wurde. Bitte.«
Rogers Kollege Tyrell Ford hielt einen kleinen Spiralblock in der Hand und bedeutete Ben, mit in den Flur zu kommen. Halblaut las er vor: »Vater, Ted McBride, Eigentümer des Hauses. Mutter lebt in Louisiana. Geschieden. Tochter Cass McBride, 17, sie ist Junior, geht also in die 11. Klasse an der Senior Highschool. Vater und Tochter waren gestern Abend zu Hause. Tochter ging als Erste in ihr Zimmer. Sie war nicht wach, als der Vater aufstand. Er ging nachsehen. Sie war verschwunden. Er sah die Glasscherben auf dem Boden. Rief sofort die Polizei.«
»Gute Arbeit, Officer Ford.«
Sie kehrten ins Wohnzimmer zurück. Der Vater saß mit hängendem Kopf auf dem Sofa und hatte die Unterarme auf die Knie gestützt.
»Mr McBride, ich bin Detective Ben Gray und werde die Ermittlungen im Fall Ihrer Tochter leiten.«
Der Mann holte tief Luft, dann stand er auf und schüttelte Ben die Hand. »Entschuldigen Sie das gerade eben. Ted McBride ist eigentlich ein Mann, der die Dinge unter Kontrolle hat. Ted McBride weiß, wo es langgeht, ist ein Mann der Tat. Keine Ahnung, warum ich gerade diesen Ausfall hatte.«
»Verzweiflung und Angst, Sir. Das sind völlig natürliche Gefühle in einer solchen Situation.«
»Da muss ich widersprechen. Angst steht einem nur im Weg und Verzweiflung ist unreif. Cass lebt und ich will sie zurück. Gefühle bringen sie nicht zurück, sondern Taten.«
Rogers Spinnen mussten auf Bens Nacken übergesprungen sein. Er spürte sie über seine Haut krabbeln. Hatte der Typ einen Nervenzusammenbruch oder warum sprach er von sich selbst in der dritten Person?
»In Ordnung, Sir. Ich möchte, dass Sie meinem Partner, Detective Scott Michaels, einige Fragen beantworten, während ich mir das Zimmer Ihrer Tochter ansehe.«
Roger geleitete Ben aus dem Wohnzimmer und den Flur entlang. Es war ein eingeschossiges Haus, das in einem weitläufigen U um ein Schwimmbecken angelegt war. Räume in Beige und Weiß, aus Chrom und Glas. Kalt. Nur Geister konnten sich hier zu Hause fühlen.
Ben kam sich in dieser Umgebung fremd und fehl am Platz vor.
»Meinst du, der Vater steckt dahinter?«, fragte er Roger.
»Nee. Ich denke, ihr habt es mit einem Fall von Kidnapping zu tun.«
Er öffnete die Tür zum Zimmer des jungen Mädchens. Keine Poster von Boygroups an den Wänden, keine unordentlichen Haufen, kein Krimskrams. Es war sauber und ordentlich, das Zimmer eines Menschen, für den alles seinen festen Platz hatte. Ein dicker, beigefarbener Teppich, schneeweiße Bettwäsche, cremefarbene Wände, weiße Deckenleisten, ein Plasmafernseher an der Wand gegenüber dem Bett, ein Laptop auf dem leeren Schreibtisch, eine Uhr und eine Lampe auf dem Nachttisch. Ben zog sich mit einem schnalzenden Geräusch seine Handschuhe über und öffnete die Nachttischschublade. Darin befanden sich ein iPod und ein Gedichtband von Emily Dickinson. Ben schlug das Buch auf.
»Sie hat Randbemerkungen in das Buch geschrieben. Mit Tinte. Das hätte ich nicht erwartet.« Er runzelte die Stirn. »Hier steht ein Haufen Zeug über Väter drin. Vielleicht hatte sie ja irgendwelche Probleme mit ihrem eigenen?« Er ließ das Buch in eine Asservatentüte gleiten.
Roger ergriff das Wort. »In dem Bett wurde geschlafen. Das Zimmer ist sauber. Schau dir die Glasscherben an.«
Ben beugte sich vor. »Das Fenster wurde von außen eingeschlagen. Sieh dir das an.« Er ging in die Hocke und blickte prüfend auf den Teppich. »Verdammt.«
»Ich hab das Gleiche gedacht«, bestätigte Roger.
»Hast du den Vater überprüft?«
»Seine Schuhe habe ich mir nicht angesehen, aber dem Augenschein nach würde ich sagen, seine Füße passen nicht annähernd dazu.«
Ben richtete sich wieder auf. »Mach ein Foto von dem Abdruck und erstell einen Steckbrief des Mädchens. Wir haben es mit einer Entführung durch einen unbekannten Täter zu tun und die Zeit arbeitet gegen uns.«
Ben schüttelte den Kopf. »Ein Kidnapping. Scott wird sich vor Aufregung in die Hose machen.«
KYLE
»Ich will nicht lügen. Ich habe es genossen, das stimmt. Cass ist schuld, dass mein Bruder an diesem Ast hing, und sie musste dafür bezahlen.«
»Siehst du, hier kann ich dir nicht folgen«, warf der große Cop ein. »Wenn das wahr ist, warum hast du
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