Der Esper und die Stadt
immer am richtigen Drücker, und alles, was er ausstrahlte, war eine innere Erregung, die aus Logik bestand.
Mit dem Geruch von Kalkstaub in der Nase, der allmählich trocknete, stand ich auf der dunklen Treppe und zitterte gleichzeitig vor Erregung und Anstrengung. Denk nach.
Mir fiel ein, daß an meinem Schlüsselring ein kleines Lämpchen hing. Immerhin ein Gedanke. Es war zwar ein später, aber guter Gedanke.
Ich kramte es heraus und schaltete es an. Ein helles Licht beleuchtete die engen Wände der Treppe. Sie hatten Sprünge, und auf den Stufen lag Staub. Ich suchte nach Fußspuren, aber da waren keine – außer meinen eigenen, und die waren auf den Stufen, die ich gerade erstiegen hatte. Diesen Weg hatte Ahmed also nicht genommen.
Ich ging weiter hinauf. Und vorsichtig, um nicht auf die Kiesel zu treten. Dann kam eine Stahltür, an der die Treppe endete. Neben der Tür befand sich ein unregelmäßig geformtes Loch. Dort hatten wir damals Ziegelsteine aus der Wand gezogen. Das Loch war groß genug, um ein Kind hindurchzulassen, aber zu klein für mich. Ich löste fünf weitere Steine und stapelte sie lautlos auf den Treppenstufen. Als ich die Zementfugen herauskratzte, fiel der Putz nach außen in die Leere und landete sieben Meter tiefer klickend und raschelnd auf einem Steinboden. Mit den Beinen zuerst kroch ich durch das Loch hinaus und tastete mich abwärts, bis ich festen Boden unter den Füßen spürte. Schließlich zwängte ich mich ganz hindurch und stand auf einem Eisenträger.
Ich ließ mein Licht in die Runde blitzen. In der kastenförmigen Dunkelheit lagen sich zahlreiche unbenutzte Fenster gegenüber. Sechs Etagen voller Fenster, hinter denen niemand lebte. Die beiden alten Häuser waren durch einen überdachen Laufgang und eine Vordermauer miteinander verbunden gewesen. Das, was vorher außen gelegen hatte, lag nun innen. Die Häuser selbst hatte man mit Kreuzbalken abgestemmt.
Ich saß auf einem Eisenträger, ließ die Beine baumeln und dachte nach. Und während ich nachdachte, untersuchte ich die Fenster mit der Lampe. Ich hätte durch jedes von ihnen klettern können, aber in dem Haus, das mir gegenüberlag, hatten wir als spielende Kinder Büroräume entdeckt, die noch benutzt wurden. Da wir ein Spiel spielten, das wir ernst nahmen, taten wir so, als wären wir UNO-Spione, die sich bemühten, eine arabische Verschwörung gegen den Frieden aufzudecken. Wir nahmen uns vor, die hinter diesen Mauern geführten Telefongespräche und Konferenzen der wichtigsten arabischen Führer zu belauschen. Aber wir waren nie zurückgekehrt, um dies zu tun.
Es würde nicht schwer sein, die hinter diesen Wänden geführten Gespräche zu belauschen, denn die Araber hatten die hinter den Fenstern liegenden Räume mit Zwischenwänden versehen. Zwischen ihnen und den Außenmauern der Häuser gab es genug Platz, um sich zu bewegen.
Ich glitt über den Eisenträger, indem ich mich mit den Händen voranzog, statt aufzustehen. Das Fenster auf dieser Seite war alt und verwittert, aber wir hatten vor sieben Jahren das Schloß geknackt und die Schiene geölt, in der es lief. Zum Glück verfügte es über teure Kugellager. Ich schob das Fenster nach oben. Es bewegte sich leicht und machte nur ein schwaches Geräusch. Dahinter war es dunkel und roch nach imitiertem Leder, einer Klimaanlage und Kaffee.
Ich spürte, daß ganz in der Nähe jemand aufmerksam geworden war. Es war ein Gefühl der Vorsicht, das ganz plötzlich kam und zu stark war. Jemand hatte das Geräusch gehört. Aber das war nicht allzu schlimm. Ich mußte mich jetzt nur still verhalten. Denn wenn ein Geräusch, das man gehört hat, sich nicht wiederholt, langweilt man sich schnell und verliert die Geduld.
Ich packte den Sims mit beiden Händen, zog mich durch das Fenster hinein, achtete darauf, daß ich nirgendwo anstieß und stellte dann ein Bein langsam und vorsichtig auf den Boden, bis ich sicher war, daß dieser mein Gewicht trug, ohne zu knarren. Als ich die Lampe ausschaltete, sah ich helle Lichtstreifen. Sie kamen durch die Spalten zwischen den Sperrholzplatten, die die Innenwand bildeten. Die Fugen der Platten bestanden aus langen, durchsichtigen Plastikstreifen, die sie von allen Seiten umgaben. Es war nicht schwer, durch sie hindurchzusehen.
In dem Raum waren nur Schreibtische.
Ahmeds Stimme kam aus einem anderen Zimmer. Sie hörte sich gekünstelt, tief und wichtigtuerisch an, als würde er auf einer Bühne stehen. „Selim, der Sand
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