0082 - Wir liquidierten die Erpresser-AG
Gegen 21 Uhr läutete das Telefon in meiner Wohnung. Etwas müde - ich hatte einen anstrengenden Tag hinter mir -hob ich den Hörer ab.
»Cotton«, brummte ich. Der Anrufer blieb stumm. »Hallo, hier Cotton«, rief ich noch einmal. »Wenn Sie falsch verbunden sind, sagen Sie’s.«
»Nein, nein. Bitte nicht aufhängen, Mister Cotton«, vernahm ich eine flehende weibliche Stimme.
»Ich denke ja gar nicht daran«, sagte ich und musste ein wenig lächeln. Es interessierte mich ja schließlich, was die Dame zu so später Stunde noch von mir wollte. »Also, wer sind Sie, und um was handelt es sich?«
»Ich - ich heiße Peggy Sterling und -ich wohne in Richmond - in der 73. Straße. Ich - ich…«
Sie stockte. Ich hatte schon den Namen auf meinen Notizblock gekritzelt und fragte: »Welche Nummer?«
»Was meinen Sie, Mister Cotton?Telefonnummer?«
»Die Hausnummer, Miss oder Misses…«
»Miss, bitte.«
»Also schön, Miss Sterling.«
»Nummer 138 A, Mister Cotton.«
»Na also«, sagte ich. »Jetzt sind wir schon ein ganzes Stückchen weiter. Wenn Sie jetzt noch auf Ihr Anliegen zu sprechen kämen…«
»Ja, Mister Cotton. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich ein wenig durcheinander bin, aber…«
Ich hörte verhaltenes Schluchzen. »Na na«, sagte ich nur. Was sollte ich in dieser Situation auch weiter tun.
»Es ist alles so schrecklich«, murmelte sie so leise, dass ich es kaum verstehen konnte.
»Was ist so schrecklich?«, fragte ich.
»Ach, das mit dem Kind von Leonora Kenton.«
Mir was schon der Verdacht gekommen, es mit einem mehr oder weniger hysterischen Frauenzimmer zu tun zu haben, aber der Name Kenton wirkte wie ein Signal auf mich.
»Was wissen Sie von der Sache, Miss Sterling?«, sagte ich knapp.
Im Laufe des Tages war das Fernschreiben der New Yorker City Police bei uns eingegangen. Eine Mrs. Leonora Kenton hatte Anzeige wegen Erpressung erstattet. Falls sie nicht bereit wäre, 50 000 Dollar von der First National Bank abzuheben, würde man ihrem Kind was antun, hatte man ihr gedroht. Sie solle weitere Weisungen betreffs Zeitpunkt und Ort der Übergabe abwarten.
Miss Sterling räusperte sich.
»Bitte, Mister Cotton, das kann ich Ihnen am Telefon nicht sagen. Verstehen Sie das bitte nicht falsch, Mister Cotton, aber…«
»Woher wissen Sie denn überhaupt von der Sache, Miss Sterling?«
Sie druckste herum.
»Hat Ihnen Mrs. Kenton von der Geschichte erzählt?«, fragte ich mit möglichst gleichmütiger Stimme. In Wirklichkeit war ich äußerst wach und angespannt. Ich wusste, dass die erpresste Mutter mit keinem Menschen darüber sprechen sollte. Ich wusste, was einem Erpressten von der Polizei eingetrichtert wurde, wenn er schon den Mut gefasst und Anzeige erstattet hatte.
»Ich kenne Mrs. Kenton nicht«, sagte Peggy Sterling.
»Und woher…«
»Mister Cotton«, unterbrach sie mich, »ich will Ihnen alles erzählen. Können wir uns nicht irgendwo treffen?«
Ich wurde plötzlich misstrauisch.
»Sehen Sie, Miss Sterling«, sagte ich vorsichtig, um sie nicht vor den Kopf zu stoßen, »ich bin FBI-Beamter. Wenn Sie eine Aussage zu machen haben, dann kommen sie bitte direkt zum Distriktsbüro. Ich bin nun mal kein Privatdetektiv. Bitte, haben Sie ein wenig Verständnis dafür, Miss Sterling.«
»Trotzdem, Mister.Cotton«, sagte sie jetzt mit sehr fester Stimme, die mich hellhörig machte. »Sie müssen kommen, Mister Cotton. Morgen kann es schon zu spät sein.«
Ich atmete tief, und dann hatte ich mich auch schon entschlossen.
»Also gut, Miss Sterling«, sagte ich. »Wann und wo?«
»Kennen Sie das Lincoln-Baseball-Stadion?«
»Yes.«
»Können Sie in einer halben Stunde am Eingang sein und dort auf mich warten?«
»Kann ich«, sagte ich, nachdem ich schnell die Entfernung abgeschätzt hatte.
»Wenn ich mich etwas verspäten sollte, warten Sie bitte auf mich, Mister Cotton. Ich werde die Untergrundbahn nehmen. Falls mich jemand verfolgt, kann ich ihn so am leichtesten unterwegs abwimmeln. So long. Mister Cotton, und - vielen Dank.«
Ich wollte noch etwas sagen, aber da hatte sie schon aufgelegt. Ich steckte nachdenklich den Notizblock, ein, schlüpfte in den Mantel und verließ meine Wohnung.
Schnee und Regen vermischt fiel vom pechschwarzen Himmel. Der scharfe -Ostwind ließ mich frösteln, es war so um null Grad.
Ich holte den Jaguar aus der Garage und fuhr los. Ich musste höllisch aufpassen, denn die Straßen waren fast zu einer Eisbahn geworden. Die Streufahrzeuge der
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