Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
Vom Netzwerk:
bekam. Mit der Frühstücksschale in der Hand nahm ich im Park der Kommune auf einer Bank Platz.
    Während ich da saß, kam Adolf Hitler mit seinem kleinen Schnurrbart zusammen mit einem Sultan in Turban und Pluderhosen auf mich zu. Die beiden hatten das gleiche Frühstück erstanden und setzten sich neben mich. Als wir fertig waren, forderte Adolf Hitler mich zum Kampf heraus. Wir zahlten beide einen Dollar und kletterten auf die imitierten Pferde.
    Mein Gaul ratterte den Hügel hinauf und schaukelte dabei auf seinen unregelmäßig geformten Beinen wie ein alter Klepper. Am Ende der Schiene machte er eine Wendung, dann jagte er mit Volldampf den Berg hinab. Ich stieß einen lauten Kampfschrei aus. Das andere Pferd kam auf mich zu, aber der Mann, der sich als Hitler verkleidet hatte, senkte schon die Lanze und sah ziemlich grimmig aus. Mein Gaul schwankte und bockte, weswegen es mir schwerfiel, richtig auf ihn zu zielen. Der Handschuh am Ende meiner Lanze traf ihn genau vor die Brust und warf ihn nach hinten weg vom Pferd. Seine Lanze traf meine Schulter, verfing sich in dem Kettenhemd und riß mich ebenfalls zu Boden. Er hatte Glück gehabt, denn ich brachte sicherlich fünfzig Pfund mehr auf die Waage als der andere.
    Wir trafen zu gleicher Zeit am Boden auf. Wir erhoben uns, rieben unsere Schrammen und gaben die Lanzen an die nächsten Wettkämpfer weiter. Am Rande des Parks fing eine Reihe von Mönchen in grünen Kutten an, einen Kreis zu bilden. Sie sangen und trugen Kerzen mit sich herum, und ein paar Leute in braunen Beinkleidern und Leinenhemden spritzten auseinander und arrangierten auf dem Gras rote Plastikdeckchen, die fast wie kleine Läufer aussahen. Sie verbanden die Dinger mit irgendwelchen Schnüren, die über den Grasboden liefen. Dann leuchteten die runden Deckchen auf, und rote und gelbe Plastikbänder stiegen wie Flammen wellenförmig in die Luft. Kostümierte junge Leute begannen nach einem Lied zu singen, nahmen sich bei den Händen, bildeten einen Kreis und tanzten.
    Ich kenne einige Angehörige dieser Kommune, aber an diesem Tag erkannte ich niemanden wieder. „Komm, tanz mit“, rief mir ein grünes Mädchen zu. Sie ließ das neben ihr stehende Mädchen los, öffnete den Kreis für mich und winkte mir zu.
    Ich schüttelte den Kopf. „Kann nicht. Ich bin kein Mitglied.“ Sie tanzte weiter, nahm die Hand der anderen und schloß den Kreis wieder.
    Ein bärtiger Mann mit einer grünen Kapuze legte seine Hand auf meinen Arm. „Der Mitternachtsritus des Grünen Wolfs steht jedem Freiwilligen offen“, sagte er. „Du kannst ruhig kommen.“
    „Um was geht es bei diesem Tanz?“ fragte ich.
    Er erklärte es mir. „Der Tanz ehrt die Sonne für ihren längsten Tag. Mit den Feuern zögern wir das Tageslicht hinaus. Die kürzeste dunkle Nacht des Jahres. Um Mitternacht huldigen wir der Dunkelheit. Wir reichen Wein, schalten alle Lichter aus und veranstalten eine mitternächtliche Fruchtbarkeitsparty. Es lohnt sich, darauf zu warten.“
    Der Kreis der Tänzer bildete nun ein S zwischen den imitierten Feuern und stimmte einen druidischen Gesang an. „Tot, tot, speise das Licht, halte die Dunkelheit der Nacht von uns fern.“ Sie erreichten das Ende und kehrten wieder an ihren Ausgangspunkt zurück, wo sie sich wieder in alle Richtungen ergossen. „Tot, tot, tot, speise das Licht.“
    „Hört sich großartig an“, sagte ich, „aber ich bin kein echter Mediaevalist.“
    „Das bist du doch“, sagte der Mann und schob mich den anderen entgegen. „Du bist der Größte Finstere Ritter des Jahres.“
    Ich nahm die Hand einer grünen Nymphe und einer mittelalterlichen Dame und spürte augenblicklich ein Ziehen, das meine Arme ausbreitete und mich mit den anderen seitwärts laufen ließ. „Speise das Licht. Halte die Dunkelheit der Nacht von uns fern.“ Ich versuchte, um eines der großen imitierten Feuer, dessen hellrote und orangene Flammenbänder wellig tanzten, herumzulaufen. Man zog mich jedoch genau darauf zu, und als ich ausweichen wollte, zerrte ich ein paar Leute hinter mir her. Die beiden, die mir am nächsten waren, landeten inmitten des künstlichen Feuers und kreischten vor Aufregung und Anstrengung; schließlich rutschten sie aus und wateten bis zu den Knien in den aufragenden Bändern. „Tot, tot, tot.“ Sie ließen meine Hand los und verließen den Kreis. Die Übriggebliebenen liefen schneller, schlossen auf. Dann ging das Spiel von neuem los. Wer in die künstlichen Flammen trat,

Weitere Kostenlose Bücher