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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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mußte ausscheiden. Der Kreis wurde immer kleiner, der Tanz wurde schneller und schneller. Wir schwitzten und sangen, sprangen hin und her und versuchten alles, um über die kleinen und großen Feuer, deren flackernde Bänder tanzten und wie Flammen funkelten, hinwegzuspringen.
    TOT TOT TOT – SPEISE DAS LICHT, HALTE DIE DUNKELHEIT DER NACHT VON UNS FERN. Nur noch drei Paare sind übrig. Wir verkürzen die Linie zu einem S; ein Sprung über die beiden größten Feuer – und ziehen, tanzen, seitwärts hüpfen. Ein Sprung über die Flammen, dann die Landung auf dem kühlen Grün der anderen Seite. Mit einem Aufschrei landeten zwei der Tänzer in den Feuerbändern, badeten kreischend in den unechten Flammen und schieden aus, um sich zu den singenden Zuschauern zu gesellen. Jetzt war außer mir und meiner kleinen, grünen Nymphe nur noch ein anderes Pärchen übrig. Wir sprangen hin und her über eines der kleineren Lagerfeuer und machten gewaltige Sätze und hielten uns fest. Die anderen klatschten rhythmisch und sangen. Meine grüne Nymphe steckte von oben bis unten in grünen Seidenblättern, die bei jedem Sprung raschelten. Sie blieb in meiner Nähe und ließ meine Hand nicht los. Das letzte Paar, das mit uns sprang, begab sich an ein größeres Lagerfeuer. Jubel und Kreischen zeigte an, daß sie es nicht geschafft hatten. „Tot, tot, speise das Licht.“ Wir wirbelten herum, um uns das letzte Feuer anzusehen, hohe, helle Plastikbänder in Rosa und Orange, Gelb und Rot. Wir liefen darauf zu. Meine Begleiterin zögerte. Ich sprang, hielt ihre Hand. Ich traf auf der anderen Seite auf dem Boden auf und zog sie von den Flammen weg in meine Arme.
    Sie war zierlich, weich, seidig und wohlgeformt und hatte ein ebenmäßiges, grünes Gesicht und trug einen frechen Ausdruck zur Schau. Ihre Augenbrauen unter der grünen Farbe waren blond, und sie hatte blaue Augen und eine kurze Nase wie ich. Ihr Haar wurde von einer seidigen, grünen Blätterkappe bedeckt. Ich setzte sie langsam ab, und die Zuschauer stimmten ein Lied über den König des Sommerkorns an. Wir waren über das größte Feuer gesprungen, nun war der Tanz vorbei. Leute in Kostümen schwärmten an den Imbißstand oder reihten sich für einen Ritt mit den Turnierpferden auf.
    „Komm heute abend um elf zurück, Schwarzer Ritter“, sagte ein kapuzenbewehrter, grüngekleideter Mönch. „Dann tanzen wir fürs Fernsehen.“ Die grüne Nymphe nahm meine Hand und zog mich auf den Bürgersteig hinaus. Auf den Straßen donnerte ein wilder Trommelwirbel, den ich von einer Schallplatte her kannte, die Sommersonnenwende, eine Begleitmusik für Orgien hieß. Meine grüne Nymphe sagte: „Wer bist du?“
    „Ich bin König Löwe mit dem Schwarzen Herzen. Und wer bist du?“ Ich küßte sie auf die Nase, ohne anzuhalten.
    „Ich bin eine Dryade aus den geheiligten Wäldern, Hügeln und Grotten“, sagte sie. „Betrete meine Höhle, und du glaubst, daß zehn Jahre vergangen sind, wenn du in eine veränderte Welt hinausgehst.“
    „’s ist ein Zauber“, sagte ich. „Ich habe ihn schon ausprobiert.“
    Sie schaute zu mir auf, ganz Dreistigkeit und Keckheit. „Wenn du der verzauberte Ritter bist, der einsam durch die Welt bummelt, dann kann ich dir sagen, daß die Belle Dame Sans Merci meine Mutter war und ich noch ein paar Tricks kenne, die dich noch mehr verschüchtern werden.“ Sie betastete meinen Arm. „Du fällst ja bald vom Fleische. Laß uns in meine Höhle gehen.“ Es waren allerlei Gerüche in der Luft: von heißem Kuchen, Curry, Zimt und Muskat.
    Vor uns war Macy’s Plaza; wir ließen uns von der Menge mitziehen. Hinter uns tauchte eine Parade römischer Soldaten auf, die schmutzige Lieder in Latein und Englisch schmetterten und die Leute in einer großen Woge vor sich herschoben. Der TV-Schirm, der über Macy’s Plaza hing, meldete, daß man um 10:15 Uhr ein römisches Militärmanöver abhalten würde. Da mußte sich die Armee aber beeilen! Im Gleichschritt marschierte sie hinter uns her. Die Menge wurde nun dichter, die Leute standen enger zusammen. Wir lösten uns aus dem Gewirr, und ich lief – das Mädchen an der Hand – an einer Baumgruppe und einem Grüngürtel vorbei, um die Helikopterplattform zu erklimmen und mich umzusehen. Über der Plattform schwebte eine Polizeimaschine. Mein Armbandsender summte und versetzte mir leichte elektrische Schläge, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich hielt mir das Ding ans Ohr und drückte einen

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