Der Esper und die Stadt
Knopf.
„Wer von denen da unten bist du, George? Wir empfangen deinen Summer. Wink dem Kopter zu.“ Es war die Stimme von Ann, Ahmeds Freundin. Da ich keine Lust hatte, an einem solchen Tag für die Rettungsbrigade zu arbeiten, machte ich im ersten Augenblick keine Bewegung, sondern sah mir nur die beiden Gesichter an, die vom Helikopter aus heruntersahen. Ahmed arbeitete heute. Er würde darauf bestehen, daß ich ihm half. Er würde mich dazu kriegen, daß ich mich auf irgendwelche Leute in der Menge einstimmte, die in Schwierigkeiten waren. Aber wenn das Unterbewußtsein etwas arrangiert, kann man sich schwerlich dagegen wehren. Ich war hier, ohne es geplant zu haben. Das schien mir etwas zu bedeuten.
„In dem Kopter da sind ein paar Freunde von mir“, sagte ich zu der grünen Nymphe. Ich befreite meine Hand aus ihrem Griff und winkte mit beiden Armen zu ihnen hinauf.
Der Kopter ließ eine Leiter hinunter. „Komm an Bord, George!“ rief der magere, rote Satan. „Bring deine Freundin mit!“ Hinter ihm winkte Ann. Wie meine Nymphe war auch sie ganz in Grün gekleidet, aber das sonnengebräunte Gesicht war ihr eigenes.
Während das Brüllen des lateinischen Gesangs immer näher kam, zerrte ich am Arm meines Mädchens. Die Armee winkte mit Plastikschwertern und war mit ledernen Brustpanzern und Sandalen bekleidet. Ich kletterte die Leiter hinauf, aber meine Nymphe wich zurück.
Es war mir ein leichtes, aufgrund meiner ESP-Fähigkeiten die freundliche Urlaubsstimmung der ganzen Stadt aufzufangen, aber da ihr grünes Gesicht undurchdringlich war, stimmte ich mich in ihre Gefühle ein. Sie hatte zwar ein freundliches Gemüt, schien aber unter keinen Umständen bereit zu sein, den Erdboden zu verlassen. Ich mußte also ohne sie gehen. Ich packte sie, gab ihr einen schnellen, festen Kuß und klopfte ihr auf den Rücken. Unter den grünen, raschelnden Seidenblättern fühlte sie sich weich an. „Dann bis um elf bei der Mitternachtsorgie des Grünen Wolfs“, flüsterte König Löwe mit dem Schwarzen Herzen ihr ins Ohr, ließ sie los und eilte zum Kopter. Ich schnappte mir die Leiter; der Hubschrauber stieg höher, und man zog mich in die Kabine.
Die Maschine gewann rasch an Höhe, so daß ich mehr und mehr von den sonnenbeschienenen Straßen und den in bunten Kostümen herumflitzenden Menschen sehen konnte. Überall wurden Paraden abgehalten, spielten Kapellen, wurden Karren vorbeigefahren.
Ich wandte mich um. Ann und Ahmed hielten Händchen. Ich habe Ann immer gemocht. Als wir noch Kinder gewesen sind, war sie meistens die Königin oder Prinzessin, die wir retten mußten. Wenn wir irgendein Geschichtsspiel spielten, war Ahmed immer ein König oder General und ich der Leibwächter oder Spaßmacher Robin Hoods. Aber jetzt war Ann die erwachsene Jungfer Marian; sie hatte lange, grüne, hübsche Beine und trug ein grünes Spitzenhemd. Ihr Gesicht war auch sehr hübsch, sie hatte große Augen. Ann hatte immer sehr ernst gewirkt, wenn wir unsere Spiele planten. Sie hatte sich die größte Mühe gegeben, und wenn sie mit uns loszog, lachte sie. Heute studierte sie äußerst ernsthaft die Jurisprudenz – wie ihr Vater – und gab eine Menge besorgter Vibrationen ab. Ich hatte immer das Gefühl, daß ich sie vor etwas retten mußte, aber ich wußte nie, vor was. Vielleicht vor dem Erwachsenwerden.
Diesmal war ich König Löwe mit dem Schwarzen Herzen. Ich schaute den roten Dämon an, der Anns Hand hielt und spürte Eifersucht. Ich musterte Ann in ihrem grünen Kostüm, ihre langen, hübschen Beine und ihre schüchternen Augen und dachte Dinge, die zu erwähnen König Richard Löwenherz sich geschämt hätte.
„Ist das wirklich George?“ fragte Ann und sah woanders hin.
„Nein, ich bin König Löwe mit dem Schwarzen Herzen.“ Ich lachte einen Ton tiefer als üblich, damit es zu der gefährlich aussehenden, schwarzen Gestalt paßte, die sie zu sehen bekamen. Als ich eine Hand auf ihre Schulter legte, wich sie zurück und lachte nervös.
„Angst?“ fragte ich.
Sie versuchte ihre Furcht zu verstecken. „Du siehst gräßlich aus mit diesen Streifen, wie ein Metallgesicht. So ausdruckslos.“
Ahmed nahm seine Hörner und die rote Teufelsmaske ab. Sein echtes Gesicht mit den dichten Augenbrauen sah nicht viel anders aus. „Wir können den Kopter den ganzen Tag über haben und uns alles ansehen, George. Schau!“ Er deutete mit der Hand auf die Kontrollkabine. Sie war in Kniehöhe von TV-Schirmen umgeben, und
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