Der Esper und die Stadt
den Spiegeln, machten irgendwelche Gesten und lachten über ihr eigenes Ebenbild.
Ich kriegte die schwarze Hose schließlich an und staffierte mich mit gleichfarbenen Handschuhen und einer Kapuze mit Umhang aus.
Ich wollte unheimlich aussehen, aber mein Gesicht war noch immer rosafarben und rund. Von Bösartigkeit war da keine Spur. Ich steckte die Finger in Gesichtsfarbe, machte einen schwarz und einen silbern, und damit malte ich dann schwarzsilberne Streifen auf meine Wangen und das Kinn. Im Spiegel war ich nun eine schwarze Gestalt mit gestreiftem Gesicht. Ich sah ziemlich grimmig und abstrakt aus, wie ein Henker, der Könige richtet. Ich legte noch eine silberne Augenmaske an, die die obere Hälfte meines Gesichts verdeckte und es wie ein abstraktes Muster aussehen ließ – wie das Visier eines Ritters. Es erinnerte mich daran, daß es nicht ungefährlich war, für die Rettungsbrigade zu arbeiten. Ich sah in dem Rüstungsstapel nach und nahm mir ein schweres, aus festen Eisengliedern bestehendes Kettenhemd, denn auch im Karneval kann einem allerhand passieren. Es war aus dunklem, echtem Metall und stellte einen guten Schutz dar. Dann stülpte ich mir einen silbernen Stirnreif mit Nasenschutz über den schwarzen, kapuzenbewehrten Kopf. Er sah aus wie ein Helm, und die schwarze Gestalt im Spiegel war plötzlich König Richard Löwenherz, der sich als sarazenischer Ritter verkleidet hatte. Ich schnappte mir ein silbernes Schwert und wirbelte es durch die Luft, aber es war zu leicht und bestand nur aus Plastik.
Niemand wurde dazu ermutigt, in der Karnevalszeit bewaffnet herumzulaufen. Morde kamen regelmäßig vor, und in der Regel konnten maskierte Mörder unter Millionen maskierter anderer Menschen leicht entkommen. Das Kettenhemd würde mich zwar beschützen, aber ich war nicht bewaffnet.
In seiner Verkleidung marschierte König Richard Löwenherz in den Postraum und nahm George Sanfords Post an sich. In einem versiegelten, offiziell aussehenden Päckchen, das an mich adressiert war, befand sich ein Armbandsender der Polizei. Ich freute mich, ihn zu sehen. Es war genau das, was ich brauchte. Ich befestigte den Sender auf meinem schwarzen Handgelenk, und er sah aus wie ein eisernes Stichblatt mit ein paar roten und schwarzen Zierknöpfen. Einen davon drückte ich. Der Sender strahlte einen Ruf mit meiner Identitätsnummer an die Abteilung Statistik ab. Ich hielt ihn ans Ohr.
Eine dünne, aber deutliche Stimme sagte: „Nachrichten für George Sanford vom Polizeipräsidium. Informanten haben ausgesagt, daß der Name George Sanford auf der arabischen Racheliste steht. Ebenso die Namen Ahmed Kosvakatats von der Rettungsbrigade und Erick Torenson von der Industrial Tunnel Design Construction Company. Die arabische Beschwerde beinhaltet, daß diese Leute identifiziert worden sind, in der vergangenen Woche den arabischen König Akbar Hisham beleidigt und mißhandelt zu haben. Akbar Hisham wird momentan vermißt. Wenn er zurückgebracht wird und man sich entschuldigt, werden die Namen von der Liste gestrichen. Diese Liste wurde der Polizei mit der Bemerkung übergeben, sie beinhalte eine Aufforderung zum Duell unter der Aufsicht von Schiedsrichtern, was legal ist. Wir wissen jedoch, daß wir es hier mit einer ernsthaften Bedrohung zu tun haben. Diejenigen Personen, die hier angesprochen sind, werden gebeten, äußerste Vorsichtsmaßnahmen gegen eventuelle Attentate zu ergreifen. Ende der Durchsage.“
Und dann: „Nachricht für George Sanford. Von Judd Oslow, Chef der Rettungsbrigade. Ihr üblicher Tarif wird für jeden Tag verdoppelt, falls Sie während der drei Karnevalstage vom 21. bis 24. Juli für die Rettungsbrigade arbeiten. Wenn Sie einverstanden sind, halten Sie bitte diese Leitung für eine Kommunikation mit der Rettungsbrigade offen.“
Sofort danach: „Nachricht für George Sanford. Bitte treffen Sie sich mit Ahmed und Ann auf dem Helikopter-Landeplatz von Macy’s Plaza um zehn Uhr. Nur zurückrufen, falls Ihnen dies nicht möglich ist. Ende der Durchsagen.“ Der Sender piepste, klickte und verfiel in Schweigen. Ich dachte über die erste Botschaft nach. Ich hatte keine Ahnung, warum Akbar Hisham vermißt wurde, aber vor einigen Tagen hatte ich ihn – und zwar aus gutem Grund – ziemlich rauh behandelt. Ich war froh, daß mein Kostüm mich unkenntlich machte und ich keine feste Adresse hatte. Heute würden sie mich jedenfalls nicht ausfindig machen können.
„George Sanford“, sagte eine
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