Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian
Untergangs.«
»Und doch«, war meine Antwort bei solchen Gesprächen, »habe ich denn keinen freien Willen? War die einzige Lösung der Völkermord, den ich beging? Ich hatte gehofft, die Menschheit und die Alten könnten in Frieden miteinander leben ...«
»Und du hast versucht, es dahin zu bringen. Aber sie wollten es nicht. Sie versuchten dich zu töten, wie sie die Alten töten wollten. Fast wäre es ihnen gelungen. Vergiß das nicht, Erekose. Fast wäre es ihnen gelungen.«
»Manchmal«, sag ich, »wünsche ich mich wieder in die Welt des John Daker zurück. Einst hielt ich seine Welt für kompliziert und erstickend. Aber jetzt habe ich erkannt, daß jede Welt die Dinge, die ich haßte, beinhaltet, nur in anderer Form. Der Kreislauf der Zeit mag sich ändern, Ermizhad, aber die menschliche Natur ändert sich nicht. Es war diese Natur, die ich zu ändern versuchte. Ich versagte. Vielleicht ist das mein Schicksal - der Versuch, die Natur der Menschheit zu ändern - und zu versagen .«
Aber Ermizhad war kein Mensch und, wenn sie auch mit mir fühlen konnte und erahnen, was ich meinte, konnte sie es nicht verstehen. Es war dies die eine, die sie nicht verstehen konnte.
»Deine Rasse hatte viele Tugenden«, pflegte sie zu sagen. Dann aber verstummte sie, runzelte die Stirn und konnte ihre Bemerkung nicht zu Ende führen.
»Ja, aber ihre Tugenden wurden zu ihren Fehlern. So war es immer mit der Menschheit. Ein junger Mann, der Anmut und Schmutz haßt, würde versuchen es zu ändern, indem er etwas Schönes zerstört. Er sieht Menschen im Elend sterben - und tötet andere. Er sieht Hunger - und verbrennt das Korn. Aus Haß auf die Tyrannei würde er sich mit Leib und Seele dem großen Tyrannen Krieg hingeben. Aus Haß auf Unordnung würde er Mittel ersinnen, die zu größerem Chaos führen. Aus Liebe zum Frieden würde er die Wissenschaften unterdrücken, die Kunst verbieten und damit neuen Zwist heraufbeschwören. Die Geschichte der menschlichen Rasse war eine einzige Tragödie, Ermizhad.«
Dann gab Ermizhad mir einen sanften Kuß. »Und nun ist die Tragödie zuende.«
»So scheint es, denn die Alten verstehen es, in Ruhe zu leben und ihre Kraft zu erhalten. Und dennoch habe ich das Gefühl, daß die Tragödie immer noch gespielt wird - vielleicht tausendmal gespielt wird, unter verschiedenen Masken. Und diese Tragödie benötigt bestimmte Hauptdarsteller. Vielleicht bin ich einer davon. Vielleicht werde ich wieder gerufen, um meine Rolle zu spielen. Vielleicht ist mein Leben mit dir nur eine Pause zwischen den Akten ...«
Und darauf wußte Ermizahd keine Antwort, außer mich in ihre Arme zu nehmen und mir den Trost ihrer süßen Lippen zu bieten.
Buntgefiederte Vögel und anmutige Tiere spielten, wo die Menschheit einst ihre Städte errichtet und ihre Kriegstrommeln geschlagen hatte, aber in diesen neugeborenen Wäldern und auf dem Gras all der gerade geheilten Hügel gab es Geister. Die Geister von Iolinda, die mich geliebt hatte, ihrem Vater, dem schwachen König Rigenos, der meine Hilfe gesucht hatte, den Geist des Grafen Roldero, des freundlichen Oberbefehlshabers der Menschheit und all der anderen, die durch mich gestorben waren.
Und doch war es nicht meine Wahl gewesen auf diese Welt zu kommen, das Schwert Erekoses, des Ewigen Helden, zu ergreifen, Erekoses Rüstung anzulegen, als der Menschheit größter Held an der Spitze einer Armee zu reiten, zu erfahren, daß die Alten nicht die Hunde des Bösen waren, als die König Rigenos sie beschrieben hatte, sondern, im Gegenteil, die Opfer des unsinnigen Hasses der Menschen.
Nicht meine Wahl .
Das waren die Worte, die mich am häufigsten während meiner düsteren Stimmungen verfolgten.
Aber diese Stimmungen wurden seltener, als die Jahre vorüberzogen und Ermizhad und ich nicht alterten und immer noch dieselbe Leidenschaft fühlten, wie bei unserer ersten Begegnung.
Es waren Jahre voller Lachen, geistreicher Gespräche, Überschwang, Schönheit, Liebe. Ein Jahr verschmolz mit dem nächsten, bis hundert oder mehr vergangen waren.
Dann kamen die Geisterwelten - diese fremdartigen Welten, die sich durch Zeit und Raum in einem rechten Winkel zu dem Universum, das wir kannten, bewegten - wieder in Berührung mit der Erde.
II
VON EINER WACHSENDEN BEDROHUNG
Ermizhads Bruder war Prinz Arjavh. Schön, in der Art der schlanken Alten, mit einem spitzen, goldenen Gesicht und schrägen, milchigen Augen, hegte Arjavh eine ebenso große Zuneigung für mich, wie
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