Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ewige Held

Der Ewige Held

Titel: Der Ewige Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
Vom Netzwerk:
nicht sah.
    Die Szenerie um ihn hatte sich völlig verwandelt. Hawkmoon spürte, daß etwas in ihm ihn immer näher zu jenem zog, der eine Statue gewesen war. Es war, als berührten sich ihre Gesichter. Doch auch jetzt war der andere sich Hawkmoons Gegenwart nicht bewußt.
    Und dann blickte Hawkmoon aus Elrics Augen. Hawkmoon war Elric. Erekose war Elric.
    Er zerrte das Schwarze Schwert aus der Brust seines besten Freundes. Er schluchzte, als er es herausholte. Und endlich hatte er es frei und schleuderte es von sich. Es landete mit einem seltsam gedämpften Laut. Er sah, wie das Schwert sich bewegte, wie es auf ihn zukam. Und dann hielt es an. Aber es beobachtete ihn.
    Er setzte ein großes Horn an seine Lippen und holte tief Atem. Er hatte jetzt die Kraft, das Horn zu blasen, während er zuvor zu schwach dazu gewesen war. Die Kraft eines anderen erfüllte ihn.
    Er blies einen Ton auf dem Horn, es war ein gewaltiger schmetternder Laut. Und dann herrschte Schweigen auf der steinernen Ebene. Schweigen wartete auf den hohen und fernen Bergen.
    Ein Schatten bildete sich, am Himmel. Ein riesiger Schatten war es, und nun kein Schatten mehr, sondern Umrisse, die sich bald ausfüllten -und zur Titanenhand wurden, die eine Waage hielt - eine Waage, deren Schalen heftig schwankten. Doch allmählich beruhigte sich ihre Bewegung, bis die beiden Schalen ihr Gleichgewicht hielten. Dieser Anblick erleichterte seinen Kummer ein wenig. Er ließ das Horn fallen.
    „Das ist schon etwas", hörte er sich selbst sagen. „Und wenn es nur eine Illusion ist, ist sie zumindest beruhigend."
    Doch nun, als er sich umdrehte, bemerkte er, daß das Schwert sich von selbst in die Luft gehoben hatte. Es bedrohte ihn.
    „STURMBRINGER!"
    Die Klinge schnellte in seine Brust, drang in sein Herz - und trank seine Seele. Tränen strömten aus seinen Augen, während das Schwert saugte. Er wußte, daß ein Teil seines Selbst nun nie mehr Frieden finden würde.
    Er starb.
    Er löste sich aus dem gefallenen Leib und war wieder Hawkmoon. Er war wieder Erekose.
    Die beiden Aspekte des gleichen Wesens sahen zu, wie das Schwert sich aus dem Leichnam des letzten der Strahlenden Kaiser zurückzog. Sie sahen zu, wie das Schwert seine Form verändert (obgleich ein Hauch der Klinge blieb und menschliche Proportionen annahm, während sie über dem Besiegten stand).
    Das neugeformte Wesen war das gleiche, das Hawkmoon auf der Silberbrücke und auf der Insel gesehen hatte. Es lächelte.
    „Lebe wohl, Freund!" rief es. „Ich war tausendmal schlechter als du!"
    Und dann tauchte es in den Himmel. Mit einem boshaften Lachen, das keine Spur von Güte kannte, verhöhnte es das kosmische Gleichgewicht, seinen Erzfeind.
    Dann war es verschwunden, das Bild war verschwunden, und die Statue des Prinzen von Melnibone stand wieder auf ihrem Podest.
    Hawkmoon keuchte, als wäre er am Ertrinken gewesen. Sein Herz klopfte wild.
    Er sah Oladahns Gesicht zucken, und er sah den Schock in seinen Augen. Er sah Erekoses Stirnrunzeln, und er sah Orland Fank sich das Kinn reiben. Er sah das friedliche Gesicht des Kindes. Er sah John ap-Rhyss, Emshon von Ariso und Brut von Lashmar, und als er sie näher betrachtete, stellte er fest, daß sie an dem, was er soeben miterlebt hatte - wenn es ihnen überhaupt bewußt geworden war - nichts Beunruhigendes gefunden hatten.
    „Dann stimmt es also", sagte Erekose mit seiner tiefen Stimme. „Dieses - Wesen und das Schwert sind ein und dasselbe."
    „Oft", sagte das Kind. „Aber manchmal ergreift nicht sein ganzer Geist Besitz von dem Schwert. Kanajana war nicht das ganze Schwert."
    Es deutete. „Schaut zu."
    „Nein!" weigerte sich Hawkmoon.
    „Gebt acht!" mahnte Jehamiah Cohnahlias.
    Eine weitere der großen Statuen stieg von ihrem Podest.
    Es war ein gutaussehender Mann mit nur einem Auge und nur einer Hand. Er hatte die Liebe kennengelernt und das Leid. Und die Liebe hatte ihm geholfen, das Leid zu ertragen. Seine Züge waren ruhig. Irgendwo schlugen die Wellen gegen den Strand. Er war heimgekehrt.
    Wieder spürte Hawkmoon, wie er in dem anderen aufgenommen wurde, und er wußte, daß es Erekose genauso erging. Er war Corum Jhaelen Irsei, der Prinz im Scharlachroten Mantel, der Letzte der Vadhag, der sich geweigert hatte, die Schönheit zu fürchten, und dem sie zugefallen war; der sich geweigert hatte, einen Bruder zu fürchten, und der verraten worden war; der sich geweigert hatte, eine Harfe zu fürchten, und von ihr erschlagen worden war.

Weitere Kostenlose Bücher