Der Facebook-Killer
nickte ebenso lautlos wie der schwarz gerüstete Beamte und zog sich an die Wand der Diele zurück, um das Team durchzulassen.
Der vorderste Beamte legte die behandschuhte Hand auf die Klinke, drückte sie herunter und versuchte, die Tür lautlos zu öffnen. Er musste mehr Kraft aufwenden als erwartet. Die Tür öffnete sich viel zu langsam, mit einem Knarzen von Holz und dem protestierenden Kreischen von Metall, das über einen unebenen Boden gezogen wird.
Scheiße.
Die Zeit der Lautlosigkeit war vorbei.
„Go, go, go!“, brüllte Fanon in sein Headset-Mikro und warf sich im selben Augenblick regelrecht durch die Tür. Khalil lehnte an der Wand, während die sechs Vollgerüsteten in Schwarz mit schweren, auf den ausgetretenen Holzdielen dröhnenden Kampfstiefeln an ihm vorbeistürmten, und merkte erst jetzt, dass er zitterte wie Espenlaub. Seine Gedanken kreisten einzig um eine Frage: Lebte da unten außer dem Monster noch jemand? Er glaubte es nicht. Aber die Deutsche hatte natürlich recht: Auszuschließen war es nicht.
Dann stürmte auch er die Treppen hinunter, hinter dem Interventionsteam her. Jemand schaltete das Deckenlicht an, eine flackernde, kränklich-grüne Neonröhre, deren Starter nicht mehr intakt war. Blitzlichtartig warf sie Helligkeit in diesen Höllenkeller, hob fast wie in einem Stroboskop einzelne Szenen, einzelne Schreckensbilder heraus. Der Großteil des Infernos jedoch blieb im Dunkeln.
Fanon war am Fuß der Treppe angekommen und rief: „Polizei! Kris Manet, Sie sind festgenommen! Geben Sie …“
Schallendes Gelächter unterbrach den Einsatzleiter. Das Monster lauerte da irgendwo im Dunkeln und verspottet sie. In seinem Eifer prallte Khalil gegen den Rücken des GIGN-Mannes vor ihm und nahm gleichzeitig aus dem Augenwinkel wahr, dass Mafro und Geza oben im Türrahmen auftauchten. Sie blieben abrupt stehen.
Dann trat der Mann, den sie jagten, ins flackernde Licht der Neonröhre. Unrasiert, in zerknitterten Joggingklamotten, das etwas zu lange Haar fettig und achtlos nach hinten gewischt.
Mit leicht schiefgelegtem Kopf musterte Kris Manet das Aufgebot seiner Kollegen. Dann lächelte er. Die Wölfin ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie dieses Lächeln charmant fand. Auch Karl Müller hatte ein charmantes Lächeln gehabt. Warum hatte sie keine Waffe?
„Hände hoch, Manet!“, rief Fanon und richtete die Waffe auf ihn. Manet reagierte nicht; mit hängenden Armen stand er einfach da. Der Lichtkreis begann bei seinem Kopf und endete etwa in Höhe der Ellbogen. „Ich will sofort Ihre Hände sehen!“, brüllte der Einsatzleiter. Sein Team fächerte sich langsam, wie in Zeitlupe, nach links und rechts auf, und Mafro und Geza kamen tastend die Stufen herab.
Manet reagierte noch immer nicht. Geza versuchte verzweifelt, seine Hände zu erkennen. Dabei wurde ihr klar, dass sein dunkler Jogginganzug von oben bis unten blutbesudelt war. Dann begann er plötzlich zu sprechen, und seine leise, heiser Stimme wirkte in der unwirklichen Szenerie überlaut:
„Ich bin das Werkzeug SEINER Rache, und ich bin unaufhaltsam …“
Er ging einen einzigen Schritt auf Fanon zu. Der starrte sein Gegenüber ungläubig an. „Noch einen Schritt weiter, und ich schieße.“ Wie um seine Worte zu unterstreichen, hob er seine Desert Eagle und zielte genau auf Manets Brust.
Der ging einen weiteren Schritt auf Fanon zu, als wolle er den Wahrheitsgehalt seiner Worte überprüfen. „Nur zu“, sagte er in einem sachlichen, beinahe höflichen Tonfall. „Aber Sie sollten wissen, dass Zoë Ionesco lebt … und wenn Sie mich jetzt erschießen, wird sie in dem Erdloch, in das ich sie gesperrt habe, verhungern - lange bevor Sie sie finden können.“
Zoë lebte! Mafro zerriss es schier das Herz in der Brust.
Fanons Finger lag nach wie vor am Abzug. Er hatte Commandant Bavarois’ Worte noch genau im Ohr:
„Wenn ihr ihn klar im Visier habt und Mademoiselle Kaplan lebt, sorgt dafür, dass sie nicht sein zehntes Opfer wird.“
Im Grunde seines Herzens wünschte sich Franck Fanon nichts sehnlicher als abzudrücken, dem Treiben dieses perversen Schweins ein für allemal ein Ende zu bereiten. Er wollte diesen sadistischen Dreckskerl abknallen wie den tollwütigen Hund, der er in seinen Augen war. ‚Na los, gib mir einen Vorwand, du Wichser‘, dachte er. Aber er kannte seine Pflichten. Also knurrte er: „Was ist mit Patricia Kaplan?“
Das Licht flackerte erneut; diesmal waren die Sekundenbruchteile, in denen
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