Der Facebook-Killer
erste Beerdigung auf dem Père Lachaise fand im Mai 1804 statt.“
„Was meint er mit den Rockstars, Poeten und Komponisten?“
„Edith Piaf, Maria Callas, Frederic Chopin, Jim Morrison, Oscar Wilde, Marcel Proust – sie alle sind auf dem Père Lachaise begraben“, antwortete Mafro und stieg auf die Bremse. Sie waren da.
Doch als die Wölfin das faszinierende Gewirr aus gewundenen Sträßchen, das Auf und Ab der Friedhofsreihen, Grab um Grab und Mausoleum um Mausoleum, sah, ein Monument des Todes aus unzähligen Gräbern, zu dem die allgegenwärtigen blühenden Bäume so gar nicht passen wollten, zuckte sie zurück.
„Wie sollen wir hier Zoë finden?“, fragte sie fassungslos.
Die Erkenntnis der schieren Unmöglichkeit dieses Unterfangens traf Mafro wie ein Kübel Eiswasser. Er riss sein Handy aus der Tasche seiner Lederjacke, rief in der Präfektur an und ließ sich zu dem diensthabenden Polizisten vor Ort durchstellen.
„Fargue, sind Sie dran? Ja? Gut. Geben Sie mir Manet.“
„Der … der schläft, Monsieur le Commissaire.“
„Dann machen Sie ihn wach.“
„Das wird so ohne weiteres nicht gehen, Monsieur le Commissaire. Ich habe gerade vor ein paar Minuten mit der diensthabenden Ärztin gesprochen … die haben ihm nach der OP ein schweres Schlafmittel gegeben, er ist jetzt wahrscheinlich bis morgen früh ausgeknockt …“
„Die sollen ihm was spritzen, das ihn wach macht.“
„Ich fürchte, das kann ich nicht entscheiden, Monsieur le Commissaire …“, sagte Fargue unsicher.
Mafro schloss die Augen, atmete tief durch und riss sich zusammen.
„Geben Sie mir diese Ärztin.“
Er hörte, wie Fargue sein Handy auf die Sitzfläche des Stuhls legte, hörte Schritte in dem leeren Krankenhausflur hallen, hörte erregte Diskussionen im Hintergrund. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren … Dann nahm jemand das Handy ans Ohr.
„Hier ist Dr. Ivette Masoud“, sagte eine warme Frauenstimme mit leichtem nordafrikanischem Akzent. „Mit wem spreche ich?“
„Commissaire de Police Maxime Fronzac.“ Mafro zwang sich zur Ruhe. „Ich bin der leitende Ermittler im Fall Manet … im Fall des Facebook-Killers.“
Geza, die neben ihm nervös auf und ab ging, zog die Brauen hoch.
„Sie wissen, dass der Kerl direkt neben Ihnen im Bett liegt?“, fragte Mafro.
„Ja. Und?“, antwortete die Ärztin kühl.
„Eines seiner Opfer ist noch nicht gefunden. Wir gehen davon aus, dass die junge Frau noch lebt … noch.“ Er sagte ihr nicht, dass es sich bei der betreffenden Frau um seine ehemalige Freundin handelte. „Ich muss sofort mit ihm reden … sonst finden wir sie möglicherweise nicht mehr lebend.“
„Ich fürchte, das ist nicht möglich. Wie Ihnen Ihr Kollege schon sagte, haben wir ihn massiv sediert …“
„Dann spritzen Sie ihm etwas, das ihn wachmacht.“
„Der Mann hat starke Schmerzen. Außerdem hat er Rechte – und ich einen hippokratischen Eid geleistet …“
„Doktor … er hat irgendwo auf dem Père Lachaise eine Frau versteckt“, flehte Mafro. „Wenn Sie mir jetzt nicht helfen, verhungert uns diese junge Frau.“
„Verdurstet“, sagte Dr. Masoud mechanisch.
„Bitte?“
„Der Mensch verdurstet, ehe er verhungert.“ Am anderen Ende herrschte einen quälend langen Augenblick lang Schweigen. Dann sagte die Ärztin: „Geben Sie mir einen Moment.“
Der Moment dauerte unendliche vier Minuten, in denen Mafro undeutlichen Geräuschen vom anderen Ende der Stadt – es hätte auch das andere Ende des Weltalls sein können – lauschte. Endlich hörte er zwei, drei rasselnde, schmerzerfüllte Atemzüge. Er hätte nicht sagen können, dass es ihm leid tat …
Dann erklang Manets krächzende Stimme aus dem Handy. Mafro winkte Geza heran und schaltete auf Lautsprecher.
„Ah wie schön, der Ritter in der strahlenden Rüstung und die Begleiterin des Helden sind auf dem Totenanger angelangt, um die Jungfer vor ihrem unausweichlichen Schicksal zu erretten, und sie benutzen das magische Artefakt, um mich fernmündlich daran teilnehmen zu lassen. Wie schön. Woran gebricht es dir?“
Von Manets geistiger Gesundheit war eindeutig nicht mehr allzu viel übrig. Dem Gedanken konnte er sich jetzt aber gerade nicht widmen – er hatte wahrlich Wichtigeres zu tun. Er sagt beschwörend:
„Kris, du hast selbst gesagt, wir haben nicht mehr viel Zeit. Wie sollen wir Zoë in diesem Gewirr aus Bäumen, Wegen und Grabsteinen finden?“
Sein Blick huschte über den riesigen, unübersichtlichen
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