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Der Fall Charles Dexter Ward

Titel: Der Fall Charles Dexter Ward Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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malen, der damals in Newport lebte und seither als Lehrer des jungen Gilbert Stuart Berühmtheit erlangt hat. Angeblich war das Porträt auf die Täfelung der Bibliothek des Hauses in Olney Court gemalt worden, aber keine der beiden alten Chroniken, die es erwähnten, wußte etwas über seinen endgültigen Aufbewahrungsort zu vermelden. Zu dieser Zeit ließ der exzentrische Gelehrte Anzeichen ungewöhnlicher Geistesabwesenheit erkennen und verbrachte so viel Zeit wie nur irgend möglich auf seinem Hof an der Pawtuxet Road. Er schien, so hieß es, in einem Zustand unterdrückter Spannung oder Erregung, als erwarte er ein außerordentliches Phänomen oder als stünde er dicht vor einer entscheidenden Entdeckung. Chemie oder Alchimie schien dabei eine große Rolle zu spielen, denn er nahm zahlreiche Bücher über solche Themen aus dem Stadthaus auf den Bauernhof mit.
    Sein vorgetäuschtes Interesse für die Angelegenheiten der Gemeinde erlahmte nicht, und er ließ keine Gelegenheit vorübergehen, die Stadtväter Stephen Hopkins, Joseph Brown und Benjamin West in ihrem Bemühen zu unterstützen, das kulturelle Niveau der Stadt zu heben, die zum damaligen Zeitpunkt in der Förderung der freien Künste weit hinter Newport zurückstand. Er unterstützte Daniel Jenckes bei der Gründung seiner Buchhandlung im Jahre 1763 und war von da an sein bester Kunde auch die um ihre Existenz ringende Gazette unterstützte er, die jeden Mittwoch im »Haus zu Shakespeares Kopf« erschien. Auf politischem Gebiet unterstützte er aufs entschiedenste den Gouverneur Hopkins gegen die Ward-Partei, deren Hochburg Newport war, und seine wahrhaft meisterliche Rede im Jahre 1765 in der Hacher's Hall gegen die Erhebung des nördlichen Teils von Providence zur selbständigen Stadt sowie seine Stimmabgabe bei der Generalversammlung zugunsten von Hopkins trugen sehr zum Abbau der Vorurteile gegen ihn bei. Doch Ezra Weeden, der ihn aufmerksam beobachtete, höhnte nur über diese nach außen hin zur Schau getragene Aktivität und schwor in aller Öffentlichkeit, dabei handle es sich nur um eine Maske für Curwens unheimlichen Umgang mit den schwärzesten Abgründen des Tartarus. Der rachedurstige junge Mann fing an, den Mann und sein Verhalten systematisch zu studieren, sooft er im Hafen war; oft wartete er stundenlang des Nachts an den Kais bei seinem kleinen Boot, wenn er Licht in Curwens Lagerhäusern gesehen hatte, und folgte einem jener anderen Boote, die manchmal lautlos vom Kai ablegten und die Bucht hinunterglitten. Aber auch den Hof bei Pawtuxet behielt er, so gut es ging, im Auge, und einmal wurde er ernsthaft von den Hunden gebissen, die das alte Indianerpaar auf ihn losgelassen hatte.
    3 Im Jahre 1778 vollzog sich die letzte, entscheidende Veränderung mit Joseph Curwen. Sie trat ganz plötzlich ein und erregte bei dem neugierigen Stadtvolk allerhand Aufsehen; denn der Ausdruck der Spannung und Erwartung fiel von ihm ab wie ein altes Gewand und machte augenblicklich einer nahezu unverhohlenen Verklärung vollkommenen Triumphes Platz. Curwen schien sich kaum davor zurückhalten zu können, öffentliche Ansprachen über das zu halten, was er gefunden oder erfahren oder vollbracht hatte; aber offenbar war die Notwendigkeit der Geheimhaltung stärker als die Sehnsucht, seine Freude mit anderen zu teilen, denn er gab niemandem eine Erklärung. Erst nach dieser Wende, die sich anscheinend Anfang Juli vollzogen hatte, fing der finstre Scholar an, die Leute durch den Besitz von Informationen zu verblüffen, die ihm eigentlich nur deren längst dahingeschiedene Vorfahren übermittelt haben konnten.
    Aber Curwens fieberhaft geheimnisvolle Aktivitäten hörten nach dieser Wende keineswegs auf. Im Gegenteil, sie schienen sich eher sogar zu verstärken; schließlich überließ er die Führung seiner Seehandelsgeschäfte mehr und mehr seinen Kapitänen, die er jetzt mit Fesseln der Angst an sich band, die genauso stark waren, wie es früher die des Bankrotts gewesen waren. Den Sklavenhandel gab er ganz auf, angeblich weil er sich immer weniger rentierte. Jeden freien Moment verbrachte er auf seinem Hof; allerdings ging hin und wieder das Gerücht, er sei an Stellen gesehen worden, die zwar nicht direkt in der Nähe von Friedhöfen waren, sich aber doch in einer solchen Lage zu Friedhöfen befanden, daß nachdenkliche Leute sich fragten, wie weit die Änderungen im Verhalten des alten Kaufmanns denn nun wirklich gingen. Die Zeitspannen, in denen Ezra

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