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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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einen Mantel und einen Schirm gefunden. Beide erkannte er wieder: Sie gehörten Noël. In den Manteltaschen fand er unter anderem ein Paar schmutzige und zerkratzte graue Lederhandschuhe und eine unbenutzte Rückfahrkarte von Chatou nach Paris. Ohne sich eine Atempause zu gönnen, ließ er sich zum Justizpalast fahren. Noël mußte sofort verhaftet werden! Hoffentlich traf er Daburon noch an.
    Er hatte Glück. Daburon arbeitete noch trotz der späten Stunde in seinem Büro. Er war gerade damit fertig geworden, den Grafen de Commarin mit der Aussage von Pierre Lerouge bekannt zu machen, als Tabaret ins Zimmer stürzte, ohne den Besucher zu beachten. »Monsieur Daburon!« Die Hast und die Aufregung nahmen ihm für Sekunden die Luft zum Sprechen. »Wir haben ihn, den wirklichen Mörder! Es ist Noël Gerdy, mein Adoptivsohn, mein Erbe. Noël!«
    Â»Noël!« wiederholte Daburon. Unwillkürlich stand er auf. »Ich hatte es vermutet«, fügte er hinzu.
    Â»Sie müssen sofort einen Haftbefehl ausstellen«, fuhr Tabaret fort, »zögern Sie keine Minute. Sonst entkommt er uns. Wenn seine Freundin ihn noch warnen kann, weil ich bei ihr gewesen bin, dann weiß er bald, daß alles entdeckt ist. Schnell, Monsieur! Schreiben Sie den Haftbefehl aus.«
    Vergebens bemühte sich Daburon, von Tabaret eine nähere Erklärung all der Vorgänge, von denen er sprach, zu bekommen. Der Alte fiel ihm schon ins erste Wort.
    Â»Das erkläre ich Ihnen später. Denken Sie daran, daß ein Unschuldiger noch immer in Haft ist.«
    Â»Ich habe soeben seine Freilassung angeordnet«, sagte Daburon. »Aber zurück zu Noël Gerdy ...«
    In ihrem Eifer hatten die beiden Männer nicht bemerkt, daß der Graf de Commarin aus dem Zimmer gegangen war.
    * * *
    N oël hatte seinem Vater und Claire zwar versprochen, alles zu unternehmen, um Alberts Freilassung zu erwirken, und er sprach auch mit einigen Leuten im Justizpalast. Doch gelang es ihm, den Fall in einem solchen Licht darzustellen, daß sein Antrag stets abgelehnt wurde.
    Am Nachmittag gegen vier Uhr fand er sich im Palais de Commarin ein, um dem Grafen über seine Tätigkeit zu berichten.
    Â»Der Graf ist ausgegangen«, sagte Denis. »Wenn Sie warten wollen ...«
    Â»Ich warte.«
    Â»Dann, Monsieur, folgen Sie mir. Ich habe Anweisung, Sie in das Arbeitszimmer des Grafen zu führen.« Dieser simple Satz eines Lakaien ließ Noël bewußt werden, welch eine Wendung in seinem Leben eingetreten war. Er war von nun an im Palais zu Haus, war mit dem Grafen Herr über dieses Schloß, er war der Erbe. Die Ahnentafel über dem Kamin fesselte seine Aufmerksamkeit. Er trat an sie heran, las voller Behagen die Reihe der klangvollen Namen, die mit Frankreichs Geschichte eng verbunden waren. Er war ausersehen, diese Reihe fortzusetzen. Ein überwältigendes Gefühl des Stolzes ließ sein Herz schneller schlagen. Das war der Höhepunkt seines Lebens. »Ich bin ein Graf de Commarin«, sagte er leise und voller Triumph vor sich hin.
    Als er die Tür leise in den Angeln knirschen hörte, wandte er sich um und verbeugte sich tief vor dem eintretenden Grafen. Aber er erstarrte, als er sich wieder aufgerichtet hatte und ein Gemisch von Haß, Wut und Verachtung auf den Zügen seines Vaters bemerkte.
    Er wußte sofort: Alles war verloren.
    Â»Du Dreckskerl«, schrie der Graf. Er warf seinen Spazierstock in eine Ecke, um nicht in Versuchung zu kommen, Noël zu schlagen. Der durfte ihm keinen Schlag wert sein.
    Für Sekunden lag tödliches Schweigen über dem Raum, ehe Noël sich ein Herz faßte.
    Â»Monsieur ...«, begann er.
    Â»Ich will kein Wort von dir hören! Ja, du bist mein Sohn, und Gott möge es mir nicht anrechnen, daß dem so ist. Aber zweifeln kann ich wohl nun nicht mehr. Aber du wußtest auch, daß du der Sohn von Madame Gerdy bist! Du gemeines Aas hast nicht nur einen Mord auf dein Gewissen geladen. Du hast einen Unschuldigen mit diesem Verbrechen belastet. Mörder! Ja, auch Mörder deiner Mutter!«
    Als Noël eine Bewegung des Protestes machte, wischte der Graf sie weg, wie man eine lästige Fliege verscheucht.
    Â»Ja, du hast auch sie getötet! Jetzt ist mir alles klar. Sie war heute morgen bei Verstand, und du wußtest, was sie sagen wollte. Du hast nämlich an der Tür gelauscht. Dein Schicksal hing an einem

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