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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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herumzuschleppen. Das lenkt nur die Aufmerksamkeit auf mich.
    Doch die Leidenschaft erwies sich schließlich stärker als alle Vernunft. »Wenn sie mich auch nicht liebt«, sagte er laut vor sich hin, »ich liebe sie. Ich brauche sie. Sie muß mit mir kommen.«
    Aber wie und wo sollte er Juliette sehen und sie überreden? In ihrer Wohnung? Ob die Polizei dort schon nach ihm suchte? Aber es wußte doch niemand etwas von der Verbindung. Um das herauszufinden, brauchten die Schnüffler mindestens drei bis vier Tage ...
    Er winkte eine Droschke heran und nannte dem Kutscher Juliettes Adresse. Dann saß er in den weichen Polstern und wurde durch die Monotonie der ratternden Räder eingelullt. Seine Gedanken trieben dahin und zurück zu den Ereignissen, die hinter ihm lagen. Es war, als wollte er sich noch einmal Rechenschaft ablegen, wie alles gekommen war.
    Er war pleite gewesen, hatte sein und seiner Mutter Vermögen verschleudert, und alle anderen Hilfsquellen waren ihm verschlossen. Doch er brauchte Geld, wollte er Juliette nicht verlieren. In dieser Situation stieß er durch Zufall auf die Briefe des Grafen de Commarin, und zwar nicht nur diejenigen, die er Vater Tabaret vorgelesen und Albert gezeigt hatte, sondern auch spätere, aus denen hervorging, der Graf sei davon überzeugt, daß die Vertauschung der Kinder stattgefunden habe.
    Die Gewißheit, der legitime Sohn des Grafen zu sein, machte ihn glücklich, bis ihn seine Mutter über den wahren Sachverhalt aufklärte. Sie konnte ihm durch Briefe von Madame Lerouge und durch die Narbe an seinem Arm beweisen, daß sie seine Mutter war.
    Wie ein Ertrinkender, der keine Wahl hat, an welchen Ast er sich klammern soll, beschloß Noël, von den Briefen den besten Gebrauch zu machen. Zuerst ließ er seinen ganzen Einfluß auf seine Mutter spielen, um sie dahin zu bringen, den Grafen in seiner Unwissenheit zu lassen. Dann hätte er ihn erpressen können. Doch Madame Gerdy wies dieses Ansinnen mit Empörung zurück und blieb auch dann noch auf ihrem Standpunkt, als er ihr von seiner Liaison erzählte und ihr ohne Schonung ihrer beider finanzielle Lage enthüllte. Nicht mit Bitten und nicht mit Drohungen konnte er ihren Sinn ändern. Fast eine Woche dauerten diese Auseinandersetzungen, bei denen Noël schließlich unterlag, wenn auch Madame Gerdys ohnehin schwache Gesundheit dabei Schaden litt.
    Jetzt erst kam ihm der Gedanke, Claudine zu ermorden. Da er glaubte, sie sei Witwe, glaubte er auch, wenn sie aus der Welt geschafft sei, wäre auch ihr Wissen aus der Welt. Wer stünde ihm dann noch im Weg? Madame Gerdy? Der Graf? Mit denen würde er schon fertig werden. Denn wer sollte schon der Aussage einer Frau vertrauen, die einen berühmten Namen für ihren Sohn gestohlen hatte und die nun natürlicherweise vor keiner Lüge zurückscheuen würde, um ihm diesen Namen zu erhalten?
    Aber wie konnte er Claudine beseitigen, ohne den Verdacht auf sich zu lenken?
    Er überlegte lange, bis ein Plan in ihm gereift war, den er für unübertrefflich hielt.
    Zunächst vernichtete er alle Briefe des Grafen, die den Austausch der Kinder bestätigten, und bewahrte nur die auf, die einen solchen Austausch als wahrscheinlich vermuten ließen. Die nun wollte er Albert zeigen. Befaßte sich das Gericht mit der Mordsache, müßte der Verdacht natürlich auf den fallen, der das größte Interesse am Tode Claudines hatte.
    Er hatte nicht von vornherein den Plan gehabt, Albert mit dem Mord zu belasten. Dieser Schritt sollte ihn, Noël, nur absichern. Dann rechnete er auch damit, daß die Polizei bei der Rätselhaftigkeit des Falls und bei den Schwierigkeiten, die seiner Aufklärung entgegenstehen würden, nicht ewig einem unbekannten Verbrecher nachjagen würde. Die Sache würde im Sand verlaufen, dessen war er sicher.
    Er hatte auch nicht daran gedacht, sich an Alberts Stelle zu setzen. Er wollte nach dem Mord nur abwarten. Alles würde seinen Gang gehen, und er würde mit dem Grafen, dessen Angst um die Reinhaltung seines Namens ihm bekannt war, verhandeln und um den Preis eines Vermögens einen Kompromiß schließen. Dabei rechnete er damit, daß seine Mutter schweigen würde, es sei denn, ihr Verdacht fiele auf ihn als den Mörder.
    Am Karnevalsdienstag wollte er zum entscheidenden, tödlichen Schlag ausholen. Er hatte sich für diesen Abend mit

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