Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
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|9| Prosumer, Smart Shopper, Crowdsourcing und Konsumguerilla: Ein Streifzug zur Einführung
Birgit Richard, Alexander Ruhl und Harry Wolff
Der vorliegende Band befasst sich mit unterschiedlichen Ebenen des Konsums sowie damit verbundenen, (sub-)kulturell überformten
Konsumpraktiken und -stilen. Er präsentiert Aktivitäten und Strategien, die von erwartbaren und systemkonformen Nutzungsweisen
abweichen und mit denen alltägliche oder vorgesehene Konsumgewohnheiten hinterfragt, unterlaufen oder gar verhindert werden.
Dies kann nicht nur durch eine klar eingenommene Oppositionsrolle realisiert werden, sondern ebenso durch übertrieben affirmative
Annahme der (impliziten) Handlungsaufforderungen an die AdressatInnen 1 eines Angebots.
Solche Ambitionen gehen zurück auf eine Entwicklung, die Kaufentscheidungen immer stärker zur maßgeblichen, wenn nicht gar
zentralen Identitäts- und Individualitätsdimension werden lassen. In einer Gesellschaft, in der immer mehr Dinge zur marktfähigen
Ware werden – ideelle symbolische und kulturelle Werte eingeschlossen – bietet reflektierter Konsum mit der ihm eigenen, flexiblen,
vielfältig und breit gestaltbaren Semantik weiten Raum, einen persönlichen Stil und zugehörige Lebensentwürfe mit all ihrer
Optionsvielfalt jenseits einer Normalbiografie der Vergangenheit zu konstruieren. Wenn im öffentlichen Diskurs der postmodernen
Marktgesellschaft von Menschen die Rede ist, wird demnach überwiegend von VerbraucherInnen, KundInnen oder KonsumentInnen
gesprochen. Souveräner Konsum avanciert zur elementaren BürgerInnenpflicht. Der Umgang mit Angeboten des Marktes wird so nicht
mehr allein von den AnbieterInnen definiert, sondern zunehmend von den Subjekten bestimmt, die ihrerseits Bedeutung in Konsummöglichkeiten
oder Dinge legen und sie entsprechend (um-)gestalten |10| . Mit Gegenständen oder Aktivitäten verknüpfte Versprechen, Mythen und Geschichten (vgl. Ullrich 2006) werden somit nicht
einfach planbar übernommen, sondern aktiv mit eigenen Konnotationen belegt und abhängig vom jeweiligen Bezugsfeld und dort
vorherrschenden Zielen erzeugt, verhandelt, gefördert oder (ironisch) gewendet. Die materielle und soziale Umwelt ist zu einem
gewissen Grad offen für individuelle oder subkulturell geprägte Sinnkonstruktionen, oder aber sie enthält zumindest Ansatzpunkte,
die sich taktisch im eigenen Interesse interpretieren lassen (vgl. de Certeau 1988).
Zwischen den Polen eines ostentativ gelebten Lifestyle- und Markenkults als Zeichen von Dynamik und Leistungsfähigkeit einerseits
und hartnäckiger Konsumverweigerung andererseits eröffnen sich dabei vielfältige Deutungsmöglichkeiten, gerade auch bei Phänomenen,
die nicht eindeutig dichotom gedachten Extremen zuzuordnen sind und somit eingehende Analysen verdienen.
Diese Betrachtungen unter dem Begriff der Konsumguerilla zu bündeln, betont den Ehrgeiz von Individuen, als hegemonial erlebte
Konventionen nicht unreflektiert hinzunehmen, sondern stattdessen ihre eigene Version der kollektiven Zeichen einer Kultur
sowie der zugehörigen Bedeutungen zu konstruieren und die modifizierten Symbolgehalte mehr oder weniger offensiv zu kommunizieren.
Es geht folglich nicht primär um spektakuläre Aktionen, denn subversives Handeln kann durchaus beiläufig, bescheiden oder
gar unbemerkt geschehen, wenn vor allem die im Vollzug von praktizierten Aktivitäten liegenden Reize ausgekostet werden. Der
persönliche Mehrwert liegt dann im Handeln, möglicherweise gerahmt von einer bestärkenden, vielleicht auch verschworenen Gemeinschaft,
die ihre Interessen mit einer Art sportlichem Antrieb verfolgt. Im Hinauswachsen über präfigurierte Nutzungsweisen werden
gemeinsam Grenzen ausgelotet, Erfahrungen geteilt, normale Abläufe irritiert oder auch bewusst Reaktionen provoziert. Nochmals
herausgefordert wird solcher Eifer von einer Umwelt, in der Konsumgüter, oder Gegenstände allgemein, eine schier universelle
Initialfunktion für soziale Prozesse darstellen. »Materielle Partizipanden des Tuns« (Hirschauer 2004: 73) werden dabei selten
sortenrein, so wie sie sind, als hinreichend angesehen. Dinge und mit ihnen gekoppelte Nutzungsskripte unterstützen vielmehr
das »Branding« der eigenen Individualität und des unverwechselbaren, souveränen Lebensstils. Sie sind Kommunikationsanlass
und geteilter Bezugspunkt für zuzurechnende Verhaltensweisen.
Der
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