Der falsche Mörder
ob es in direkter Verbindung zu meinen Gedanken stünde.
Ist natürlich ein Mercedes Benz. Was anderes kam nicht in Frage. Er ist silbern wie der alte, der sich auf der Mosfellsheidi in einen Schrotthaufen verwandelt hat.
»Hi ho, Silver!«
Nach dem schrecklichen Übergriff, der mir im alten Benz passiert ist, konnte ich es nicht mehr ertragen, ein Auto mit Rücksitzen zu fahren. Ich habe mich immer unglaublich unwohl hinterm Steuer gefühlt. Dachte bei jeder Fahrt daran, dass sich ein gefährlicher Feind auf dem Sitz hinter mir versteckt haben könnte. Musste ständig nach hinten glotzen. Oder in den Rückspiegel. Immer und immer wieder.
Unerträgliche Vorstellung!
Schließlich gab ich meinem Verfolgungswahn nach. Habe mir einen flotten Zweisitzer gekauft. Einen Silberpfeil mit 218 Pferdestärken.
»Grr!«
Ich fahre schnell vom steilen Hochland herunter. Brause leicht durch die engen Kurven der Kambar. Als ob ich an einem Autorennen teilnehmen würde. Komme mit quietschenden Reifen vor dem Hotel zum Stehen.
Sólveig sieht ihrem Vater im Gesicht ähnlich.
Sie verhält sich auch, als sei sie in die Rolle der Madame hineingeboren. Würdig. Vornehm gekleidet. Pausbackig. Mit dunklem, gelocktem Haar wie Adalgrímur.
Als sie mit ihrem Mann im Schlepptau das Hotelzimmer betritt, zieht sie sich gleich ihren Mantel aus, hängt ihn auf einem Kleiderbügel auf und in den Schrank.
Sólveig hat ein schwarzes Kostüm an. Wie bei einem Begräbnis.
Wahrscheinlich ist es Zufall. Aber es passt zum Anlass.
Sie setzt sich schweigend auf den einen Stuhl am kleinen Beistelltisch. Ich nehme den anderen. Pfarrer Gudleifur muss sich wohl oder übel auf das gemachte Bett setzen.
»Wie geht es Papa?«, fragt sie als Allererstes.
»Er sagt, dass er sich mehr Sorgen um dich als um sich selber macht, und bittet dich darum, unter keinen Umständen zu glauben, dass er dieses Verbrechen begangen hat.«
»Was erlauben die sich eigentlich, ihn eines Mordes zu verdächtigen? Papa ist einer der meist geachteten Würdenträger des Landes!«
Ich berichte ihr von der Aufnahme der Überwachungskamera.
Sólveig ist entsetzt über die Neuigkeiten. Sie guckt schnell zu ihrem Ehemann hinüber, der hilflos auf der Bettkante sitzt. Dann wieder zu mir.
»Das muss doch ein Fehler sein, oder?«
»Das sagt Adalgrímur.«
»Glaubst du ihm nicht?«
»Ich organisiere meine Arbeit natürlich unter der Prämisse, dass dein Vater unschuldig ist, wie er behauptet. Aber das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass Adalgrímur mit aller Wahrscheinlichkeit die nächsten Tage, eventuell sogar Wochen, in Untersuchungshaft verbringen wird. Und dann kann ich selbstverständlich nicht verhindern, dass sein Name in der Presse veröffentlicht wird.«
»Mein Gott, werden dann alle erfahren, dass Papa im Gefängnis sitzt?«
»Es gibt keinen Weg, das zu verheimlichen.«
»Ich bin davon überzeugt, dass meine Gemeindemitglieder hinter uns stehen, in dieser, ähem, schweren Bedrängnis«, sagt der Pfarrer.
Sólveig ist eine Weile tief in Gedanken versunken.
»Kannte Papa dieses Mädchen persönlich?«
Ich nicke.
»Also war sie eines von seinen Betthäschen.« Wütende Röte schießt in ihre Wangen. »Ich habe das sofort befürchtet.«
»Er sagt, dass sie seit letztem Jahr zusammen waren.«
Sólveig sitzt regungslos auf ihrem Stuhl.
»Wie konnte er uns das antun?«, sagt sie schließlich wie zu sich selbst. »Wie konnte er nur?«
»Ich bin genauso davon überzeugt wie vorher, dass dein Vater ein unschuldiger Mann ist, der fälschlich für ein Verbrechen beschuldigt wird«, sagt Pfarrer Gudleifur.
Sie schaut ihren Ehemann mit düsterem Blick an.
»Er hat Mama schon immer betrogen, auch bevor sie an Krebs erkrankt ist«, sagt Sólveig und regt sich mit jedem Wort mehr auf. »Er hat schon immer herumgehurt und war ein unverbesserlicher Ehebrecher, und daran hat sich nichts geändert!«
»Jetzt beruhige dich doch, mein Herz, wir wollen doch nicht in Wut über unsere Liebsten reden, die in Schwierigkeiten sind, denn wir sollen doch, ähem, verstehen und vergeben.«
»Halt den Mund, Gudleifur!«, faucht Sólveig. »Halt bloß den Mund!«
Der Pfarrer scheint sich diese recht unverblümte Rüge seiner Ehefrau ziemlich zu Herzen zu nehmen. Sein Gesicht leuchtet in changierenden Farben.
Wahrscheinlich macht es die Sache nicht besser, dass ich Zeugin der Demütigung geworden bin.
Er kämpft mit vollem Einsatz dafür, seine Ruhe und seine Würde zu
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