Der Feigling im Dunkeln (German Edition)
lassen. Wenn ich die
Wand hier betrachte lerne ich mehr Konkretes, als von den Lichtern im
Himmel. Ich bin neugierig, was es noch zu lernen gibt, draußen.“
Wut
lag nicht in der Natur der Ilfen, sie war unsinnig. Aber das, was
ihre Mutter verspüren mochte musste dem, was Menschen Wut
nennen, nahe kommen.
„ Unser
Weg ist der Weg unseres Volkes, der Weg des Wissens. Was für
Wahrheiten denkst du, kann der Dreck dir geben? Dort wirst du nichts
als Staub finden. Was willst du aus dem Staub lesen? Schicksale aus Dreck und Feuer und einen Haufen Wahnsinniger .
Das ist, was du finden wirst. Wir verlassen diesen Turm nicht. Nie .“
Sie
hieß sie hinein gehen und bei der täglichen Arbeit helfen.
Yre gehorchte und fragte sich, wie Menschen wohl aussehen mochten.
Zwei
- Jaris.
Sie
trug ihre Robe stolz. Das dunkle Braun erinnerte an die verkohlte
Erde, die rote Kordel an das Feuer, das die Welt bestraft hatte.
Geistesabwesend
fuhr sie mit der Hand über ihre Kehle. Gleich.
Es
war ein Jahr her, dass sie sich dem Orden angeschlossen hatte. Ihr Weg
des Feuers ,
wie er sich ihr offenbart hatte, schien der größte Segen,
den sie je erhalten hatte.
Ein
Jahr, das war die Novizenzeit. Endlich war die Zeit gekommen, sie
würde ihre Weihe erhalten. Die Brennung nannten sie sie. Ein
Brandmal über die Kehle, zur Erinnerung, dass sie alle Eigentum
der Götter waren und die große
Rache jederzeit auf die Sünder herabfahren konnte.
Natürlich
war das Feuer eine solche Rache gewesen. Aber nun, in diesem Land
voller Sünden und Verbrechen, in dem ein Menschenleben so viel
wert war wie eine handvoll Lederriemen und definitiv weniger als
etwas zu essen, in solch einem Land würde es nicht lange dauern,
bis das nächste Feuer kam.
Die
Gruppe Ordensnovizen, mit der sie unterwegs war, stand unter der
Leitung von Bruder Akios, einem bart- und haarlosen Mann mittleren
Alters, der trotz der Nahrungsknappheit eine Statur wie ein Fass sein
Eigen nennen konnte.
"Jaris,
jetzt du!"
Er
winkte sie zu sich. Jetzt. Zitternd vor Angst und freudiger Erwartung lief sie zu ihm, stellte
sich neben ihn unter die Überreste eines Glockenturms.
Die
Metallstange in dem Fleck schwelender Erde vor ihnen glühte
weiß-rot.
"Jaris,
zwanzig-und-drei Jahre, Novizin. Gibst du dein Leben für die
Götter? Akzeptierst du dein Schicksal und stellst du dich dem
Urteil, das uns alle erwartet?"
Sie
hatt die Worte schon hunderte male gehört und die Antwort ebenso
oft in ihrem Kopf wiederholt.
"Ich
gebe mein Leben, meinen Geist und meinen Körper. Ich akzeptiere
mein Urteil, denn die Götter sind allmächtig. Das Schicksal
möge die Sünde aus mir treiben, denn ich vermag es nicht."
Sie
überlegte, ob sie die Luft anhalten sollte wenn der Schmerz kam.
Oder einatmen? Durfte sie schreien? Sie hatte viele vor ihr gebrannt
werden sehen, jeder hatte auf seine Weise darauf reagiert. Was war
der beste Weg? Wie sollte sie reagieren? Sie verfluchte sich dafür
nicht früher daran gedacht zu haben. Die Gedanken schossen ihr
durch den Kopf und bevor sie zu einem Entschluss kam hatte Bruder
Akios schon die weißglühende Stange in der Hand und hielt
sie ihr nur eine handbreit von der Haut entfernt an den Hals.
Zum
ersten Mal erfuhr sie, wie es gewesen sein musste, sich hilflos der
Güte der Götter ausgesetzt zu sehen. Das Feuer. Die Hitze,
nur Zentimeter von ihrer Kehle entfernt. Es brauchte all ihre Kraft
nicht zurück zu zucken.
Dann
war es soweit.
Das
Glühen sandte einen Schrei durch ihren Körper, doch ihren
Mund verließ nur stumme Luft.
Mit
weiß aufgerissenen Augen kämpfte sie innerlich gegen die
Ohnmacht, doch ihr Geist empfing den Schmerz, wie ein Geschenk der
Götter. Sie hatte gehofft, dass es sich so anfühlen würde.
Ihr Schicksal wurde vor ihr ausgebreitet, sie wurde erfüllt von
Eifer und Rechtschaffenheit.
Gereinigt.
Akios
hielt die Stange einige Sekunden, dann legte er sie zurück in
die glühenden Kohlen und ließ Jaris zur Seite treten.
Wie
in Trance schritt sie weg, jeder Atemzug schmerzte höllisch, die
Welt war gleißend weiß vor ihren Augen und sie fühlte
sich wiedergeboren.
Dann
wurde sie ohnmächtig.
Als
sie aufwachte lag sie auf der warmen Erde. Ein Ordensbruder kniete
neben ihr und träufelte ihr Blutkrautöl auf die Kehle.
"Du
warst sehr tapfer."
Er
lächelte sie wohlwollend an.
Sie
fühlte sich rot werden.
"Ich-
"
Der
Schmerz flammte wieder auf und drohte sie zu übermannen.
"Sprich
nicht, du musst das Mal heilen
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