Der Zweite Messias
ERSTER TEIL
DIE VERGANGENHEIT
1.
Ö STLICH VON J ERUSALEM ,
I SRAEL
Es war ein schöner Morgen zum Sterben.
Unteroffizier Leon Gold lächelte. Er wusste nicht, dass er nur noch Minuten zu leben hatte. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du hübsche Beine hast?«, fragte er die attraktive Frau, die neben ihm saß.
Gold war dreiundzwanzig Jahre alt, ein sonnengebräunter, gut aussehender Mann aus New Jersey, dessen Familie nach Israel ausgewandert war. Als er nun in dem Laster der israelischen Armee an sonnendurchfluteten Orangenhainen vorbeifuhr, atmete er den süßen Duft der Früchte durch das offene Fenster. Zugleich nutzte er die Gelegenheit, einen Blick auf die Frau neben ihm zu werfen, Soldatin Rachel Else. Sie hatte eine umwerfende Figur, tolle Beine und ein rassiges Gesicht.
Gold spähte auf Rachels hochgerutschten Uniformrock, dann auf den obersten Hemdknopf, der geöffnet war, sodass man den Ansatz der Brüste sehen konnte. Der Anblick lenkte Gold so sehr ab, dass er sich kaum noch auf das Fahren konzentrieren konnte – was nicht ungefährlich war, denn der Laster hatte Tretminen geladen, die zu einem fünfzig Kilometer entfernten Außenposten der israelischen Armee gebracht werden sollten.
»Jetzt sag bloß, dir hat noch nie jemand gesagt, dass du hübsche Beine hast?«
Rachel lächelte verhalten. »Doch. Du. Vor fünf Minuten. Du wiederholst dich.«
Als Gold einen Blick in den Innenspiegel warf, sah er die glänzende Kuppel des Felsendoms, die allmählich in der Ferne verblasste. Es gab nur einen einzigen Grund, warum er überhaupt in diesem gottverlassenen Land mit den unaufhörlichen Spannungen zwischen Juden und Palästinensern, den hohen Steuern und der glühenden Hitze blieb: die israelischen Frauen. Sie waren umwerfend. Und Gold war entschlossen, Rachel als Nächste zu erobern.
Er schaltete einen Gang herunter, als die gewundene Straße anstieg und heiße, staubige Wüstenluft den Duft der Orangen verdrängte. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du verführerische Augen hast?«
»Lass dir mal was Neues einfallen.«
»Erst wenn du mir sagst, dass du mit mir ausgehst.«
»Behalte die Straße im Auge, Unteroffizier Gold.«
»Tue ich doch.«
»Nein, du guckst auf meine Beine.«
Gold grinste. »Kann ich was dafür, wenn sie meinen Blick magisch anziehen?«
»Achte auf die Straße, Leon. Du weißt, dass wir eine explosive Ladung haben.«
Gold schaute wieder auf die Straße, die weiter anstieg und zwischen nackten Kalksteinhügeln hindurchführte. An manchen Stellen fielen die unbefestigten Straßenränder steil zu ausgetrockneten Wüstentälern ab. Rachel war eine harte Nuss, doch Gould hatte einen Trumpf im Ärmel. In einer Kurve lenkte er den Wagen ganz nahe an den Straßenrand. Die Räder gerieten ins Rutschen, worauf der Schotter in die mit Felsbrocken übersäte Schlucht prasselte.
»Leon, lass das sein!«, rief Rachel mit angsterfüllter Stimme.
Gold zwinkerte ihr zu und lenkte den Laster noch näher an den Rand der abschüssigen Straße. »Vielleicht kann ich dich ja doch noch umstimmen. Was meinst du?«
»Hör auf, Leon! Du bringst uns noch um!«
Gold grinste. »Was ist jetzt mit unserer Verabredung? Erlöse mich von meinem Leiden. Ja oder nein?«
»Leon!«, rief Rachel und starrte durch die Windschutzscheibe.
Gold schaute wieder nach vorn auf die Straße und lenkte den Laster vom Rand des Abgrunds weg, als hinter der nächsten Kurve unvermittelt ein weißer Ford Pick-up erschien, der sich mit hoher Geschwindigkeit näherte. Gold trat auf die Bremse, doch er wusste, dass er dem Pick-up nicht mehr ausweichen konnte. Sein Laster kam ins Schleudern und schlitterte auf den Rand der Schlucht zu, während der Pick-up, dessen Fahrer verzweifelt auszuweichen versuchte, auf ihn zuraste.
Gold konnte die Insassen des Pick-ups genau erkennen: Drei Erwachsene im Fahrerhaus und zwei Jugendliche auf der Ladefläche – ein Junge und ein Mädchen, die auf Kisten saßen und auf deren Gesichtern ein Ausdruck nackten Entsetzens lag. Ein dumpfes Krachen war zu vernehmen, als die Fahrzeuge zusammenprallten. Gold stieß einen wilden Schrei aus, als der Lastwagen die Bodenhaftung verlor und durch die Luft segelte. Seine Schreie vermischten sich mit dem Kreischen Rachels, das abrupt verstummte, als der Laster auf dem Grund der Schlucht aufschlug. Der Benzintank explodierte. Eine Sekunde später detonierten die Tretminen. Die Explosion, die den Laster zerriss, war so gewaltig, dass man
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