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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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1 . Magie und Eisen
     
    Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal, als ich die Magie der Flachländer sah.
    Ich war acht, und mein Vater hatte mich auf einen Ausflug zum Außenposten Franners Bogen mitgeno m men. Wegen des langen Ritts waren wir vor dem Mo r gengrauen aufgebrochen; die Sonne stand schon kurz vor dem Zenit, als wir endlich die Flagge über den Mauern des Außenpostens am Fluss wehen sahen. Einst war Franners Bogen eine Militärfestung an der umkämpften Grenze zwischen den Flachländern und dem expandi e renden Königreich Gernien gewesen. Inzwischen lag es weit diesseits der gernischen Grenze, aber ein Stück se i nes alten martialischen Glanzes war erhalten geblieben. Zwei große Kanonen bewachten das Tor, aber die Han d werkerstände vor den mit Lehm verputzten Palisaden milderten ihr finsteres Aussehen. Der Pfad, dem wir von Breittal aus gefolgt waren, mündete hier in eine Straße ein, die sich zwischen den Überresten von Lehmziege l fundamenten hindurchwand. Dächer und Wände waren längst verschwunden; zurückgeblieben waren nur die kahlen Gerippe, die zum Himmel emporstarrten wie die leeren Zahnhöhlen in einem Totenschädel. Als wir an ihnen vorbeiritten, schaute ich sie neugierig an und wagte eine Frage. »Wer hat hier früher gelebt?«
    »Flachländer«, antwortete Korporal Parth. Sein Ton sagte, dass dies seine ganze Antwort war. Frühes Aufst e hen hob seine Laune mitnichten, und allem Anschein nach lastete er es mir an, dass er sich so früh aus den F e dern hatte quälen müssen.
    Ich hielt eine Weile den Mund, aber dann brachen die Fragen nur so aus mir heraus. »Warum sind alle Häuser zerstört? Warum sind die Leute weggegangen? Ich dac h te immer, die Flachländer hätten keine Städte. War das hier eine Flachländerstadt?«
    »Flachländer haben keine Städte, sie sind gegangen, weil sie gegangen sind, und die Häuser sind deshalb k a putt, weil die Flachländer nicht besser zu bauen versta n den als eine Termite.« Parths leise Antwort unterstellte mir unausgesprochen, dass es töricht von mir sei, solche Fragen zu stellen.
    Mein Vater hatte schon immer ein ausgezeichnetes Gehör besessen. »Nevare«, sagte er. Ich lenkte mein Pferd an die Seite seines deutlich größeren Rosses. Er schaute mich einmal kurz an, vermutlich, um sich zu vergewissern, dass ich auch zuhörte, und sagte dann: »Die meisten Flachländer haben keine dauerhaften Städte gebaut. Aber einige, wie die Bejawi, hatten jahreszeitl i che Siedlungen. Franners Bogen war eine davon. Sie k a men während der trockensten Periode des Jahres mit i h ren Herden hierher, denn hier, so wussten sie, gab es Weideland und Wasser. Aber sie hielten es nie lange an ein- und demselben Ort aus und bauten daher nichts von Dauer. Zu anderen Zeiten des Jahres zogen sie mit ihren Herden hinaus in die Ebenen und ließen sie dort weiden.«
    »Warum blieben sie nicht hier und errichteten etwas Dauerhaftes?«
    »Es entsprach nicht ihrer Natur, Nevare. Wir können nicht sagen, sie hätten nicht gewusst, wie; denn an ve r schiedenen Stätten errichteten sie sehr wohl Monumente, die ihnen wichtig waren, und diese Monumente haben dem Zahn der Zeit sehr wohl getrotzt. Eines Tages werde ich dich zu einem dieser Monumente, das Tanzende Spindel genannt wird, mitnehmen. Aber sie bauten sich keine Städte wie wir oder schufen sich eine Zentralregi e rung oder sorgten für das Gemeinwohl ihres Volkes. Und so kam es, dass sie ein armes Wandervolk blieben, leic h te Beute der Banden von Kidona, die Jagd auf sie mac h ten, und den Launen der Jahreszeiten schutzlos preisg e geben waren. Nun, da wir die Bejawi sesshaft gemacht haben und begonnen haben, sie zu lehren, wie man Dö r fer und Schulen und Läden errichtet und unterhält, we r den sie zu Blüte und Wohlstand gelangen.«
    Ich dachte über die Worte meines Vaters nach. Ich kannte die Bejawi. Einige von ihnen hatten sich in der Nähe des nördlichen Zipfels von Breittal, dem Besitz meines Vaters, angesiedelt. Ich war einmal dort gewesen. Es war ein schmutziger Ort, ein kunterbunt zusamme n gewürfeltes Durcheinander von Häusern ohne Straßen, voller stinkender Abfallhaufen und übersät von Pfützen übelriechenden Abwassers. Ich war nicht beeindruckt gewesen. Als könne mein Vater meine Gedanken hören, sagte er: »Manchmal brauchen die Menschen eine gewi s se Zeit, um sich an die Zivilisation zu gewöhnen. Der Lernprozess kann mitunter zäh und langwierig sein. Aber am Ende wird es sich

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