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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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ganz winziger, sozusagen — ich
fahre am Sonntag um zehn einmal um diese Burg hier und stoße ins Autohorn —,
manchmal zerschlägt sich alles, wissen Sie — und dann kommen Sie mit, wie?«
    »Es wird nichts werden, Herr Hase. Aber
— auf das Oktoberfest gehen wir bestimmt mal. Ja?«
    »Oktoberfest.« Er murmelte wieder mit
gesenktem Blick. »Schön. Aber das liegt noch immer in weiter Ferne. Sonntag
wäre näher...«
    Sie gab ihm die Hand. Viel war nicht
los mit seinem Händedruck.
    »Wiedersehen. Ich muß rein. In der
Vorlesung sehen wir uns bestimmt.«
    Sie lief die Stufen zum Eingang hoch
mit federnden Schritten wie ein Kind. Hase sah hinter ihren Beinen her. Schräg
von unten, sehr vorteilhaft. Die Tür fiel zu. Er setzte sich hinter das Steuer
und fuhr ab.
    Oktoberfest.
    Er dachte daran, daß er vielleicht kein
Oktoberfest mehr erleben würde und war traurig.
     
    *
     
    Barbara warf die Tür hinter sich zu.
Ihre Tasche flog auf das Bett, die Jacke hinterher. Als sie vor dem Spiegel
stand, klopfte es.
    Jens.
    Jens war ihr Freund, oder er wollte es
werden. Vierundzwanzig. Musikstudent, Schweizer. Wohnte zum gleichen Preis in
diesem Haus. Sie kannte ihn seit einem Monat.
    Er schloß die Tür, blieb stehen.
    Sie kämmte sich. »Na?«
    »Grüß Gott«, sagte er langsam und
alemannisch. »Schönes Auto, mit dem du angekommen bist.«
    »Hat’s dir gefallen?«
    »Ja. Nur der Mann nicht, neben dem du
gesessen hast.«
    »Von selbst fährt kein Auto.«
    »Seit wann schwärmst du für Greise?«
    »Ich schwärme nicht. Er hat mich
hergefahren, das ist alles.«
    »Wirklich? So hat es nicht ausgesehen.«
    Sie drehte sich kurz um. »Hast du
gerade frische Luft gebraucht?«
    »Wie alt ist er denn?«
    »Vierzig.«
    »Oh! Vierzig! Da muß man schon mit
Schlaganfällen rechnen.«
    »Kann sein. Dafür nicht mehr mit
Bettnässen.«
    Langsam begann ihn die eidgenössische
Ruhe zu verlassen. »Meinst du, daß der Umgang mit alten Herren deiner
Entwicklung förderlich ist?«
    Ihr Haar knisterte unter dem Kamm.
»Mehr als beim Umgang mit jungen Idioten wird auch nicht passieren.«
    »Barbara...«
    »Ach, laß mich in Ruhe! Und red nicht
so geschwollen, das kann ich nicht leiden! Umgang mit älteren Herren!
Entwicklung förderlich! Wenn ich das schon höre!«
    Er hob die Stimme. »Wenn ich vierzig
wäre, hätte ich Besseres zu tun, als mich mit einer Neunzehnjährigen
abzugeben!«
    Barbara knallte den Kamm auf die
Frisiertoilette und fuhr herum. »Besten Dank für das Kompliment, lieber Jens!
Sehr schmeichelhaft. Wenn du vierzig wärst, wäre ich also zu schlecht für dich.
Aber weil du so herrlich jung bist, tust du mir die Ehre an! Vielen Dank!«
    Er war erschrocken. Er ging auf sie zu.
»Bärbel, ich...«
    »Laß mich! Ich will jetzt schlafen!«
    »Es tut mir leid, Bärbel! Ich wollte
dich nicht beleidigen...«
    Es war nichts zu machen.
    »Geh!«
    Er ging zögernd zur Tür, faßte die
Klinke an. Die Übung für solche Situationen fehlte ihm noch. »Wie ist es am
Sonntag?« fragte er. »Kommst du mit?«
    »Nein. Für die Woche hab’ ich genug von
dir.«
    Sie hatte sich umgedreht, sah ihn nicht
mehr an. Er nahm ihre Worte für bare Münze. Der Zorn stieg in ihm hoch. Er knallte
die Tür hinter sich zu.
     
    *
     
    Der Feigling traute seinen Augen nicht.
An der Straßenecke vor dem Grundstück stand Barbara. Sie trug flache Schuhe —
sein Blick ging wie immer von unten nach oben —, einen Faltenrock und einen
dünnen, blaßlila Pullover, der über die Taille herunterhing. Die Jacke hielt
sie unter dem Arm. Die Kegeltasche baumelte um ihre Knie herum.
    »Man sollte es nicht für possibel
estimieren«, sagte Hase und hielt vor ihr. »Steigen Sie rasch ein, bevor Sie
sich’s anders überlegen.«
    »Morgen.« Sie warf sich auf den Sitz,
Tasche und Jacke flogen nach hinten. »Los, fahren Sie schon!«
    Gehorsam fuhr der Feigling. Barbara
begann in hastigen Zügen zu rauchen. Er sprach erst, als sie aus der Stadt
heraus waren.
    »Ärger gehabt?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie haben die Amtsmiene auf. Lippen
vor. Abstand Kinn zur Nase stark verringert. Augen dunkler als gewöhnlich.
Nasenfalte.«
    »Sie Detektiv.«
    »War der Herr böse?«
    Barbara vergaß, an der Zigarette zu
ziehen. Er sah geradeaus auf die Straße.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich weiß nichts. Denken Sie bitte an
meine schöne Arbeit über Kriminalromane. Cum laude. Kaum zu glauben. Ich sah
einen Herrn aus dem Fenster gucken, neulich, als wir ankamen. Ich

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