Der feine Unterschied
Nationalmannschaft, diesem Team von jungen, vielversprechenden Fußballern, mit denen ich 2012 die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine gewinnen möchte. Meine Karriere ist bereits reich an Höhepunkten, aber vieles steht noch bevor.
Dieses Buch ist ein Buch, wie ich es selbst gerne gelesen hätte, als ich ein junger Fußballer war. Es ist ein Buch darüber, wie Spitzenfußball heute funktioniert.
Denn ein moderner Fußballer muss nicht nur Fußball spielen können. Er muss seine Karriere detailliert planen, mit verschiedensten Chefs, Trainern und Spielern auskommen, sich in unterschiedliche, herausfordernde Spielsysteme einfü-gen, mit einer anspruchsvollen Medienlandschaft umgehen, das Leben eines Prominenten führen, sich seiner Verantwortung als öffentliche Person bewusst sein.
Davon, wie ich diesen Anforderungen begegnet bin und meine Karriere erfolgreich gestartet habe, handelt dieses Buch.
Ich habe den Titel »Der feine Unterschied« gewählt, weil oft nur Kleinigkeiten darüber entscheiden, ob ein Profifußballer eine große oder nur eine mittelmäßige Karriere macht. Welche Feinheiten das sind, darüber berichten die sechzehn Kapitel dieses Buches.
Ich habe jedem Kapitel die Punkte vorangestellt, um die es mir im Besonderen geht - Kernfragen für jede Sportlerin und jeden Sportler, für jede Leserin und jeden Leser, die den Fußballsport besser verstehen möchten. In den Kapiteln selbst werden die entsprechenden Antworten gegeben, erzähle ich, wie die Schlüsselmomente meiner Karriere verliefen - in der Einleitung stehen die Hinweise darauf, welche Lehren daraus gezogen werden können.
Es ist ein Buch geworden, das ein Bild vom Beruf des modernen Fußballprofis zeichnet, wie ich diesen Beruf sehe. Es ist ein anspruchsvoller Beruf, vielfältiger, als man vielleicht meint, wenn man sich ein Fußballspiel im Fernsehen ansieht.
Ein schöner Beruf, mein Traumberuf. Ich wünsche mir, dass dieses Buch hilft, diesen Beruf und den Fußballsport in seiner ganzen Vielfalt ein bisschen besser zu verstehen.
Philipp Lahm, München, 14. Juni 2011
1. Kapitel
IM RICHTIGEN MOMENT JA SAGEN
In sechs Monaten von der Regionalliga in die Nationalmannschaft
Über das Ergreifen von Möglichkeiten — Flexibilität zur richtigen Stunde — penibel auf Kleinigkeiten achten — Selbstbewusstsein lernen — Flirten mit dem Unwahrscheinlichen
Mein Handy läutet.
»Ja. Hallo?«
»Felix Magath hier.« Das »hier« dehnt sich wie eine Ziehharmonika.
Magath. Der Magath? Zur Sicherheit bin ich erst mal sprachlos.
»Philipp?«
»Herr Magath?«
»Ich würde dich gern zum VfB Stuttgart holen.«
Dazu fällt mir im Moment auch nichts Schlaues ein, außer kurz die Luft anzuhalten.
»Denk drüber nach«, sagt Felix Magath und hängt auf. Nachdenken? Worüber? Ich bin 19, ich habe gerade den letz-ren Spieltag der Saison mit den Amateuren des FC Bayern in der Regionalliga absolviert, und Felix Magath ruft an. Er hat den VfB Stuttgart nach einer jahrelangen Durststrecke endlich wieder in die Champions League geführt, er stellt gerade sein Team für die nächste Saison zusammen, und er will mich dabeihaben.
Ich muss die Fakten sortieren. Gut, ich habe jetzt zwei Jahre sehr ordentlich bei den Bayern-Amateuren auf der rechten Außenbahn gespielt, und es ist klar, dass jetzt etwas passieren muss. Dass ich nach dieser Saison Profi werden soll, steht schwarz auf weiß in dem Vertrag, den ich vor zwei Jahren unterschrieben habe, aber von den Amateuren zu den Profis des FC Bayern zu wechseln ist ein gewaltiger Schritt, auch wenn die Profis am Trainingsplatz nebenan üben. Wir hören sie jeden Tag rufen, lachen, keuchen.
Die Stars des FC Bayern. Stefan Effenberg. Giovane Elber. Owen Hargreaves. Oliver Kahn. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, dass die auch nur Fußball spielen, so viel Respekt hatte ich vor ihnen. Manchmal wurde einer von uns zu den Profis gerufen, weil die einen Mann für ein Trainingsspiel brauchten, dann spielte man zwar mit denen, aber was hieß das schon? Einer von uns kam rein, und bevor er sich an das Tempo, an die Energie, die Selbstverständlichkeit der Profis gewöhnen konnte, war er schon wieder zurück bei den Amateuren, ohne zeigen zu können, dass er da auch mitspielen könnte, wenn ...
Das »wenn« war das Problem. Ich wusste, dass der Unterschied zwischen den Profis und mir nicht extrem groß war. Wenn ich regelmäßig mit den Spitzenspielern trainieren dürfte; wenn ich den Besten
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