Der Feuerthron
raschen Schritten durch den Raum und blieb vor der alten Merala stehen, die sich wieder auf ihren Schemel gesetzt hatte und Timpo gedankenverloren streichelte. Ihr Gesicht wirkte dabei so seltsam starr, dass Mera es mit der Angst zu tun bekam.
»Großmutter, was ist mit dir?« Sie wollte zu der alten Frau hin, doch der Magier hielt sie auf und schob sie auf das Fass zu.
»Schenke mir einen Krug Bier ein und sage deiner Mutter, sie soll mir einen Teller mit Goldgarnelen machen, die sie so meisterhaft zuzubereiten versteht.« Danach verbeugte er sich vor der Großmutter, als stünde er vor einer ganz feinen Dame.
»Merala, im Namen Ihrer erhabenen Majestät ersuche ich dich, mich in den Palast zu begleiten und uns zu raten. Ich sehe Gefahren auf uns zukommen, vermag aber keine Lösung zu finden, da sich die Zukunft meinen Augen verschließt.«
Mera wunderte sich noch mehr. War das wirklich der Hofmagier, der hier so bittend auftrat? Sie konnte die Tage, an denen sie Torrix mit eigenen Augen gesehen hatte, an den Fingern einer Hand abzählen. Dabei war sie schon dreizehn Jahre alt und hatte seit frühester Kindheit die Feierlichkeiten zu den jährlichen Geburtstagen der Königin besucht. Einmal hatte Ilna V., die sich zu diesem Anlass leutselig unter das Volk mischte, ihr sogar über das Haar gestrichen. Gespannt wartete sie darauf, was ihre Großmutter dem Magier antworten würde.
Merala ließ sich Zeit. Sie kraulte das Fellbündel, zu dem Timpo sich zusammengezogen hatte, und schien durch den Magier hindurchzublicken. Erst nach einer ganzen Weile sah sie zu ihm auf. »Wie kommst du auf den Gedanken, ich könnte dir helfen, Torrix? Ich bin nur noch eine alte Wetterhexe, die in ihren Knochen spürt, wenn ein Sturm aufzieht.«
Der Magier kniete vor der alten Frau nieder und beugte sein Haupt. »Du warst einst eine große Heilerin und Wahrsagerin und hättest lange vor mir die Hofmagierin der Königin werden können. Deine Fähigkeiten ruhen immer noch in dir! Du musst sie nur wieder wachrufen.«
»Ich bin alt und müde und alle Zaubersäfte, die du mir geben könntest, vermögen dies nicht aus der Welt zu schaffen!« Die Großmutter klang unwirsch, doch der Magier ließ nicht locker.
»Die Königin wünscht es. Es geht um unsere Heimat! Wir müssen das Gesicht dessen sehen, der uns bedroht, und erfahren, wann der Schlag gegen uns fallen wird. Ich habe seltsame Träume, doch selbst mit meinen Zaubersäften – wie du sie nennst – vermag ich die Bilder nicht festzuhalten. Das Weitere sollten wir jedoch in meinem Turm besprechen. Ich will diese guten Leute hier nicht noch mehr ängstigen.«
Mera wusste nicht, was sie denken sollte. Dem Hofmagier schien es vollkommen ernst damit zu sein, ihre Großmutter mitzunehmen. Doch bei seiner Stellung im Reich hätte es ausgereicht, ein paar Stadtbüttel oder Gardisten zu schicken und die alte Frau zum Palast schleppen zu lassen. Er aber war beinahe so devot, als stünde er vor Königin Ilna V. Neugierig geworden zapfte sie einen Krug Bier, gab ihn aber nicht Girdhan, der sich inzwischen einen neuen Kittel geholt hatte, sondern trug das Gefäß selbst zu Torrix hinüber.
»Hier, Herr, das ist für Euch!«
Der Magier machte eine Geste, als würde er sich durch sie gestört fühlen, drehte sich dann aber zu ihr um und starrte sie mit Augen an, die heller leuchteten als blaue Kerzenflammen. Auch die Haarsträhne, die sich unter seinem Hut hervorgestohlen hatte, glänzte intensiv blau, und Mera kam es so vor, als sei die Tätowierung auf seinem Gesicht nicht auf normale Art entstanden, sondern käme von innen heraus wie bei einer Eidechse oder Schlange. Sein Blick drang in sie hinein und wühlte wie mit Krallen in ihren Gedanken. Für einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen, undsie hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Als er sich von ihr abwandte, wütete ein Feuer unter ihrer Schädeldecke, das zu ihrer Erleichterung jedoch schnell erlosch und nur leichte Kopfschmerzen zurückließ.
»Ist das deine Enkelin?«, fragte Torrix die alte Frau.
Merala nickte. »Das ist Mera. Doch ich glaube nicht, dass ich sie in deine Hände geben werde.«
Der Magier lachte auf. »Bei dir ist sie weitaus besser aufgehoben als bei mir. Aber du wirst bald mit ihrer Ausbildung beginnen müssen. Sie besitzt gute Anlagen, die nicht verloren gehen dürfen.«
Dann sah er die alte Frau flehend an. »Ich habe eine Sänfte mitgebracht. Du wirst als hoch geachteter Gast in den Palast gebracht
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