Der Feuerthron
werden. Nimm mit, was du brauchst. Gemeinsam werden wir dem Geheimnis auf die Spur kommen. Es gehen Dinge vor sich, die das Schicksal unseres Reiches bestimmen werden.«
»Immer redest du von großen Dingen! Dabei ist die Hilfe, die wir im Kleinen leisten können, viel wertvoller für die Menschen als all die Horoskope, die du der Königin und ihren Leuten stellst.«
Selbst für einen Adeligen wäre es kühn gewesen, so mit dem Hofmagier zu sprechen. Die Mutter einer einfachen Wirtin aber wäre normalerweise für solche Worte bestraft worden. Daher erwartete Mera, Torrix würde ihre Großmutter zumindest scharf zurechtweisen. Stattdessen erneuerte er noch einmal in höflichster Form seine Bitte, ihn zum Palast zu begleiten.
Für einen Augenblick dachte Mera über die Worte nach, die der Magier über sie gesagt hatte. Welche Anlagen oder Talente sollte sie besitzen? Mit Zauberei und Magie hatte sie gewiss nichts am Hut. Aber sie wäre gern eine genauso gute Wetterfühlerin wie ihre Großmutter. Die Fischer würden sich darüber freuen, denn eine rechtzeitige Sturmwarnung vermochte ihnen das Leben zu retten. Das beantwortete jedoch nicht die Frage, weshalb der mächtige Torrix wie ein Bittsteller vor ihrer Großmutter stand, anstatt einfach zu befehlen.
Nun erinnerte Mera sich an den Bierkrug, den sie noch immer in den Händen hielt, und streckte ihn dem Magier hin. »Wollt Ihr nun das Bier haben oder nicht, Herr?«
Torrix ergriff den Krug, murmelte ein paar Worte, und das Gefäß verschwand spurlos. Als er Meras weit aufgerissene Augen sah, machte er eine beschwichtigende Geste. »Keine Angst, ich habe den Krug nur in meinen Turm gezaubert. Mit den Garnelen werde ich es dann ebenso machen. Jetzt habe ich keine Zeit zum Essen.«
»Wenn der Herr Magier keine Zeit mehr zum Essen und Trinken hat, ist wirklich Gefahr im Verzug.« Mit dieser spöttischen Bemerkung stand die Großmutter auf und drückte Mera das fiepende Fellbündel in die Hände.
»Pass gut auf Timpo auf! Er mag es nicht, eingesperrt zu werden, und er hat das Bestreben, mir überallhin zu folgen. Ich will ihn aber nicht in den Palast mitnehmen.«
Die Bemerkung, Timpo würde sich nicht gerne einsperren lassen, hielt Mera für eine arge Untertreibung. Das Tier ließ sich kaum von ihrer Großmutter trennen und nagte sich selbst durch Türbretter hindurch, um zu ihr zu gelangen.
»Warum nimmst du Timpo denn nicht mit? Hier haben wir nichts als Ärger mit ihm!«
Die Großmutter schüttelte den Kopf. »Es ist besser, er bleibt hier. Ich aber muss Torrix begleiten. Es ziehen wahrlich dunkle Wolken am Horizont auf, und ich möchte ebenfalls genauer wissen, woher sie stammen.«
»Aus Gurrland, woher sonst!«, bellte der Steuerschätzer.
Niemand antwortete ihm, denn die Fischer starrten wie gebannt auf den Hofmagier, der der alten Frau den Arm reichte und sie zur Tür führte. Dort drehte Merala sich noch einmal um und blickte ihre Tochter an, die mit dem Teller Goldgarnelen aus der Küche gekommen war.
»Die Garnelen hätte Torrix beinahe vergessen!«
»... und das Bezahlen auch«, murmelte Mera. Im selben Momentwar der Teller mit den Goldgarnelen verschwunden, und sie hielt mehrere Münzen in der Hand. Für einen Augenblick schwang das leise Lachen des Magiers im ganzen Raum, dann verließen er und Merala das Haus.
Mera folgte ihnen zur Tür und spähte durch einen Spalt. Da stand tatsächlich eine Sänfte mit dem königlichen Wappen auf der Straße. Ein Lakai im blauen Rock half ihrer Großmutter so vorsichtig hinein, als wäre sie eine edle Dame. Dann packten vier kräftige Männer die Tragestangen, hoben die Sänfte auf und trugen sie mit raschen Schritten davon.
Timpos Winseln und seine verzweifelten Bemühungen freizukommen, erinnerten Mera daran, dass sie nun an anderes zu denken hatte als an ihre Großmutter und deren unerwartete Einladung in den Königspalast. Bis sie Timpo in die Schlafkammer der Großmutter gebracht hatte, hatte er ihr Gesicht und Hände zerkratzt. Um ihn zu beruhigen, steckte sie ihn unter die Bettdecke und musste ihn sofort wieder einfangen, da er ihr unter den Händen wegschlüpfte.
»Timpo, du wirst jetzt hierbleiben, verstanden!« Meras Stimme klang scharf, aber sie wusste, dass sie das Tierchen nicht auf diese Weise bändigen konnte.
Timpo zählte zu keiner Art, die im Königreich Ilyndhir oder in einem der umliegenden Reiche bekannt war. Einige Leute glaubten, er sei eine Art Ratte, doch er war größer als die
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