Der Findling
gekommen, er wollte auf die See gehen. Der Beruf als Seemann schien ihm sichrer als irgend ein andrer. Mit achtzehn Jahren ist es aber zu spät, Schiffsjunge, ja sogar Leichtmatrose zu werden. Da er sich also nicht als Matrose einschiffen konnte, schon weil ihm die dazu nöthigen Kenntnisse fehlten, so begnügte er sich, als Kohlenschaufler einzutreten, und als solcher war er an Bord des »Vulcan« aufgenommen worden. Da unten in der Tiefe, in einer von schwarzem Rauch geschwängerten Luft zu verweilen und noch dazu bei erstickender Hitze, das erscheint zwar nicht als das Ideal des Wohllebens hienieden. Grip war jedoch entschlossen und arbeitsam. Sauber und eifrig von Natur, gewöhnte er sich schnell an die Disciplin an Bord. Niemals zog er sich einen Vorwurf zu. So erwarb er sich die Achtung des Kapitäns und der Officiere, die sich für den armen Teufel ohne Familie interessierten.
Der »Vulcan« fuhr zwischen Dublin und New-York oder andern Häfen der Ostküste von Amerika. In zwei Jahren war Grip vielmals über den Ocean gekommen, immer damit betraut, die Bunker richtig zu füllen und das Heizmaterial vor die Feueröffnung zu schaffen. Da erwachte in ihm der Ehrgeiz. Er hielt darum an, unter dem Befehl des Maschinisten als Heizer verwendet zu werden. Man stellte ihn probeweise als solchen an und er befriedigte bald seine Vorgesetzten. So wurde er nach einiger Zeit erster Heizer, und als solchen fand Findling seinen alten Genossen von der Lumpenschule auf dem Quai von Queenstown wieder.
Der brave junge Mann, der keine Ausschreitungen liebte und dem unsinniges Zechen zuwider war, während das bei Matrosen der Handelsmarine, wenn die Leute ans Land kommen, so oft zu finden ist, hatte seinen Lohn stets zum größten Theil zurückgelegt. Er besaß also ein kleines Vermögen, das er mit Vergnügen wachsen sah – einige sechzig Pfund, an deren Verwendung er noch niemals gedacht hatte. Von seinem Gelde Interessen zu beziehen, das konnte ihm ja gar nicht in den Sinn kommen; war es ja schon wunderbar genug, daß Grip überhaupt vorräthige Geldmittel sein eigen nannte.
Das war die Geschichte, die Grip lustig erzählte und nach der auch Findling die seinige zum Besten gab. Diese war freilich bewegter, und Grip wollte kaum seinen Ohren trauen, als er von dem künstlerischen Erfolge der Miß Anna Walston hörte, von der glücklichen, schönen Zeit in der Farm von Kerwan, von dem Unglück, das die ehrenwerthe Familie betroffen hatte. Es schmerzte ihn mit, daß Findling von seinen Pflegeeltern gar nichts weiter hatte in Erfahrung bringen können, er staunte aufrichtig über den Reichthum und die Pracht von Trelingarcastle und empörte sich über die Hochmüthigkeit des Grafen Ashton, die Findling veranlaßt hatte, seiner Existenz daselbst ein Ende zu machen.
Auch Bob mußte einiges aus seiner Lebensgeschichte erzählen. Sie war freilich mehr als einfach, denn in der That hatte er gar keine. Sein Leben begann ja eigentlich erst mit dem Tage, wo ihn Findling auf der Straße gefunden oder vielmehr aus der Dripsey wieder aufgefischt hatte, als er sich den Tod geben wollte.
Birks Geschichte fiel natürlich mit der seines Herrn zusammen und brauchte nicht weiter geschildert zu werden.
»Na, nun ist es an der Zeit, frühstücken zu gehen, sagte der erste Heizer des »Vulcan«.
– Doch nicht, bevor wir uns das Schiff angesehen haben? erwiderte Findling lebhaft.
– Und bevor wir einmal auf die Masten geklettert sind? setzte Bob hinzu.
– Wie es Euch beliebt, meine Boys!« erwiderte Grip.
Nun ging’s durch die Luken im Verdeck hinunter in den Schiffsraum, was für unsern Handelsmann das allergrößte Vergnügen war. Hier lagen Baumwollenballen, Zuckerfässer, Säcke mit Kaffee, und Kisten, die allerlei überseeische Naturerzeugnisse enthielten, deren Duft Findling begierig einsog. Diese Schätze waren nun also aus weiter Ferne für Rechnung der Rheder des »Vulcan« eingekauft, um auf den Märkten des Vereinigten Königreichs wieder veräußert zu werden. O, wenn Findling jemals in die Lage kam….
Grip unterbrach den schönen Traum mit der Einladung, wieder nach dem Deck hinauszugehen, um die im Hintertheil des Schiffes gelegenen Cabinen des Kapitäns und der Officiere zu besuchen, während Bob außen auf den Wanten umherkletterte und wirklich bis auf die Stenge des Fockmastes gelangte. Im ganzen Leben war er noch nicht so entzückt, aber auch so gewandt im Klettern gewesen. Vielleicht steckte das Zeug zu einem
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